Bundesliga
FC Bayern München und Thomas Tuchel: Diese Argumente sprechen für und gegen den Trainer
- Veröffentlicht: 19.02.2024
- 13:49 Uhr
- Chris Lugert & Martin Volkmar
Wie stark wackelt Thomas Tuchel beim FC Bayern? Dem Trainer gehen nach drei Niederlagen in Folge allmählich die Argumente aus. Was spricht überhaupt noch für Tuchel?
Von Chris Lugert und Martin Volkmar
Zum ersten Mal seit Frühjahr 2015 hat der FC Bayern München drei Pflichtspiele nacheinander verloren, die Stimmung rund um die Säbener Straße ist mehr als angespannt. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht dabei natürlich Trainer Thomas Tuchel.
Nach nicht einmal einem Jahr scheint sich die als neue Ära angedachte Zeit des 50-Jährigen ihrem Ende zuzuneigen. Noch will der Rekordmeister nicht in Aktionismus verfallen, doch die Luft wird dünner.
Die Niederlage beim VfL Bochum (2:3) könnte im Kampf um die Meisterschaft eine Vorentscheidung zuungunsten der Bayern gewesen sein, in der Champions League droht nach dem 0:1 im Hinspiel bei Lazio Rom das Aus bereits im Achtelfinale.
Und im DFB-Pokal war schon in Runde zwei beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken Schluss. Keine Bilanz, die den Ansprüchen der Bayern auch nur ansatzweise genügt.
Nicht wenige sehen das kommende Topspiel in der Liga gegen RB Leipzig am Samstag (18:30 Uhr im Liveticker auf ran.de) als allerletzte Chance für Tuchel, seinen Job noch zu retten - zumindest vorübergehend.
Das Wichtigste zum FC Bayern
Doch was spricht überhaupt noch für eine Weiterbeschäftigung des Trainers? Was sagen die Fakten? ran stellt die Situation um Thomas Tuchel beim FC Bayern dar.
FC Bayern: Das spricht für einen Verbleib von Thomas Tuchel
- Keine Alternativen
Im Vorjahr gaben die inzwischen gefeuerten Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic dem damaligen Trainer Julian Nagelsmann auch deshalb den Laufpass, weil Tuchel gerade verfügbar war. Diesen Luxus haben die Bayern jetzt nicht. Es drängt sich kein Kandidat auf, der sofort übernehmen könnte. auch die denkbare Rückholaktion von Hansi Flick würde nicht gerade die Aura eines Neustarts versprühen. - Verantwortung der Spieler
Ein Kader, der gespickt ist mit hoch bezahlten Stars und selbsternannten Führungsspielern, darf Probleme auf dem Platz auch selbst lösen. Dass diese Führungsfiguren aber regelmäßig abtauchen, ist eine Frage der Mentalität der Profis, keine des Trainers. - Verfehlte Kaderplanung
Tuchel muss mit einem Kader arbeiten, den er so in großen Teilen nicht selbst zusammengestellt hat. Das eine wichtige Spielerprofil, das er für seine Spielidee haben wollte - die "Holding Six" -, bekam er nicht. Insofern wäre es zumindest nachvollziehbar, ihm im Sommer die Gelegenheit zu geben, die Mannschaft nach seinen Vorstellungen umzubauen. - Verletztensituation
Die Bayern kämpfen in dieser Saison mit einem selbst verschuldet dünnen Kader und gleichzeitig einem phasenweise absurden Verletzungspech. Zwischenzeitlich gingen Tuchel fast alle Abwehrspieler aus. Doch er fand Wege, viele Spiele zu gewinnen. Den kompletten Kader hatte er fast nie zur Verfügung. - Bilanz in der Bundesliga
Auch wenn man es kaum glauben mag, aber der Punkteschnitt von Tuchel in der Bundesliga (2,23) ist der viertbeste aller Bayern-Trainer der Geschichte. Vor der Niederlage in Leverkusen waren die Bayern der zu diesem Zeitpunkt der beste Tabellenzweite der Bundesliga-Historie. Tuchel leidet also auch unter der Ausnahme-Saison, die die Werkself spielt. - Reputation und Erfolge
In seiner mehr als 15-jährigen Trainerlaufbahn auf höchstem Niveau hat sich Tuchel nicht umsonst den Ruf eines Ausnahmetrainers erarbeitet. Er gewann den DFB-Pokal mit Dortmund, stand als bislang einziger Coach mit Paris Saint-Germain im Champions-League-Finale und gewann den Henkelpott mit Chelsea. Überall, wo er war, kam früher oder später der Erfolg. - Bayerns Trainerstuhl ist kein Schleudersitz
Innerhalb eines Jahres zweimal den Trainer zu wechseln, wäre nicht Bayern-like und passt nicht zum Selbstverständnis. Für Erfolg braucht es Kontinuität. Diese zeigten die Bayern in der Vergangenheit und wollen sie auch künftig ausstrahlen.
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FC Bayern München: Thomas Tuchel hat viertbesten Bundesliga-Punkteschnitt der Bayern-Historie
FC Bayern: Das spricht für eine Entlassung von Thomas Tuchel
- Verheerende Gesamtbilanz
Tuchel hat nach der Niederlage in Bochum genau ein Viertel seiner Pflichtspiele (11 von 44) als Bayern-Trainer verloren - das gab es bei den Münchnern seit Jahrzehnten nicht. Im Vergleich zu Nagelsmann gibt es statistisch keine Weiterentwicklung. Tuchels Bayern schießen deutlich weniger Tore pro Spiel (2,27 statt 3,03) und kassieren mehr (1,2 statt 1,0). - Keine Statements in großen Spielen
Gegen RB Leipzig waren die Bayern unter seiner Leitung in der Vorsaison in der Liga und zum Auftakt der laufenden Spielzeit im Supercup ebenso chancenlos wie zuletzt in Leverkusen. Die zwei klaren Siege gegen den BVB retten den Gesamteindruck nicht. Und dieser offenbart: Vom Mia san Mia gerade in wichtigen Spielen ist unter Tuchel nichts zu sehen. - Fehlende Spielidee
Auch nach fast einem Jahr ist für den Zuschauer im Stadion oder vor dem Fernseher nicht erkennbar, wie der Tuchel-Fußball eigentlich aussehen soll. Ein Konzept, eine wieder erkennbare Spielidee, fehlt nahezu komplett. - Keine Weiterentwicklung der Spieler
Welchen Spieler hat Tuchel bei den Bayern wirklich besser gemacht? Phasenweise galt das für Leroy Sane, aber auch nur für ihn. Kein Profi sonst agiert auf dem Niveau, das er bereits in der Vergangenheit bewiesen hat. Joshua Kimmich und Alphonso Davies, zwei Säulen der vergangenen Jahre, erleben unter Tuchel eine Dauer-Formkrise. Jamal Musiala stagniert, andere Spieler wirken gehemmt. - Umgang mit den Profis
Was auch daran liegen könnte, dass Tuchel einen Teil der Kabine offenbar verloren hat. Seine öffentliche Demontage von Spielern wie etwa Goretzka im vergangenen Sommer war fehl am Platz. Mit Kimmich ist das Verhältnis dem Vernehmen nach frostig, der Umgang mit Matthijs de Ligt warf zuletzt auch zahlreiche Fragen auf. Dass hier noch ein gemeinsamer Nenner zwischen Mannschaft und Trainer gefunden wird, scheint zweifelhaft. - Fehlende Selbstkritik
Wiederholt reagierte Tuchel in der jüngeren Vergangenheit gereizt auf fachlich völlig berechtigte, kritische Nachfragen. Nach der Niederlage in Leverkusen, als sein Dreierketten-Experiment krachend scheiterte, wollte er von einem Fehler nichts wissen und erklärte stattdessen, warum Leverkusens Tore so eigentlich nicht normal gewesen seien. Dabei ist es manchmal sogar ein Zeichen von Stärke, Fehler einzugestehen. - Seltsame Außendarstellung
Sowohl sein sich regelmäßig wiederholendes Mantra der bayerischen Trainingsmeister als auch der Fokus auf die XGoal-Werte wie nach dem Bochum-Spiel haben seinem öffentlichen Ansehen nur wenig geholfen. Tuchel neigt dazu, Dinge schönzureden. Zehn XGoals bringen nichts, wenn am Ende kein Tor dabei herausspringt. Und kein noch so tolles Training am Dienstag hilft am Samstag weiter.
Thomas Tuchel: Wie geht es jetzt weiter?
Gegen Leipzig wird der Trainer aller Voraussicht wohl noch auf der Bank sitzen, Vorstandboss Jan-Christian Dreesen hat sich direkt nach dem Bochum-Spiel eindeutig positioniert. Ein Umfaller würde auch Dreesens eigener Reputation schaden.
Allerdings ist durchaus denkbar, dass eine weitere Niederlage das Aus des Bayern-Coaches besiegelt. Dann wäre nicht nur die Meisterschaft endgültig weg, sondern der Vorsprung auf Platz fünf könnte - je nach Verlauf des Wochenendes - auf sieben Punkte zusammenschmelzen.