Persönliche und wirtschaftliche Verpflichtungen
Tottenham Hotspur sollte Harry Kane zum FC Bayern München ziehen lassen - ein Kommentar
- Aktualisiert: 10.08.2023
- 13:43 Uhr
- ran.de
Der FC Bayern München möchte Harry Kane haben, angeblich gibt es sogar bereits eine Einigung. Nur Tottenham Hotspur und deren Boss Daniel Levy schalten auf stur. Das ist nicht nur wirtschaftlicher Unsinn, sondern auch respektlos gegenüber den Verdiensten des Spielers. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Harry Kane zum FC Bayern München - kann das wirklich klappen? An den Bayern und auch am Spieler selbst dürfte es nicht scheitern, Berichten zufolge besteht zwischen beiden Seiten bereits eine Einigung. Diese fehlt allerdings noch mit der wichtigsten Partei in diesem Poker.
Kanes aktueller Klub Tottenham Hotspur und deren Boss Daniel Levy zeigen wenig bis kein Interesse daran, ihren Topstürmer gehen zu lassen - mal wieder. Schon vor zwei Jahren stand Kane bei Manchester City hoch im Kurs, doch ein Transfer scheiterte am Veto von Levy. Kane war sauer und blieb einige Tage dem Training der Spurs fern. Einen Streik dementierte er jedoch ausdrücklich.
Damals war die Haltung der Spurs verständlich. Kane hatte zum damaligen Zeitpunkt noch drei Jahre Vertrag und war der herausragende Spieler des Klubs. Nun, im Jahr 2023, ist die Blockadehaltung des Klubs aber aus mehreren Gründen widersinnig.
Der Angreifer hat seinen Vertrag nicht verlängert, er läuft also weiterhin bis 2024. Das wiederum bedeutet: In einem Jahr könnte Kane ablösefrei gehen. Rein wirtschaftlich ist es absurd, ein Angebot von rund 100 Millionen Euro in den Wind zu schlagen. Gerade für Levy, für den Finanzen über allem stehen.
Tottenham kann auf das Geld nicht verzichten
Im Jahr 2018 erwirtschaftete er für den Klub einen Gewinn - nicht Umsatz, sondern Gewinn - in Höhe von 132 Millionen Euro. Das war Rekord in der Fußballbranche. Nun stehen Klubs der englischen Premier League generell nicht im Verdacht, arm zu sein. Da könnte man meinen: Was sind schon 100 Millionen Transfererlös?
Borussia Dortmund leistete sich auf weit niedrigerem Preisniveau, aber in einer ähnlichen Situation, 2013 eine Blockade des Transfers von Robert Lewandowski zum FC Bayern, obwohl er ein Jahr später ablösefrei war. Die Kalkulation des BVB: Wenn Lewandowski uns mit seinen Toren in die Champions League schießt, bringt uns das finanziell sogar mehr als die Ablösesumme.
Bei Tottenham gilt dieses Argument aber nicht. Denn die bittere Wahrheit ist: Auch mit Kane wird die Qualifikation für die Königsklasse wohl nicht gelingen. Das hat die abgelaufene Saison bewiesen. Und dass Liverpool und vor allem Chelsea noch einmal so eine durchwachsene Saison spielen, darf bezweifelt werden. Die Aufgabe für die Spurs wird also vermutlich noch schwieriger.
Der Klub aus dem Norden Londons ist auf Einnahmen angewiesen, denn das neue Stadion, das 2019 eröffnet wurde, belastet den Etat massiv. Mehr als eine Milliarde Euro hat der Nachfolger der White Hart Lane gekostet, die Verbindlichkeiten des Klubs sollen sich dadurch bereits vor Corona auf über 600 Millionen Euro belaufen haben.
Während der Pandemie mussten die Spurs nochmals einen Kredit in Höhe von 200 Millionen Euro aufnehmen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. In dieser Situation wäre es für Levy untypisch und für den Klub ein gefährliches Pokerspiel, die rund 100 Millionen Euro für Kane in den Wind zu schreiben.
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Tottenham ist Kane den Wechsel schuldig
Doch es gibt noch eine andere Ebene als die wirtschaftliche, nämlich eine moralische. Die Spurs sind es Kane einfach schuldig, ihm jetzt diesen Wechsel zu ermöglichen.
Kane ist die vielleicht größte Identifikationsfigur, die der Klub je hatte. Schon mit knapp elf Jahren kam er 2004 zu den Spurs und arbeitete sich über die Zeit zum womöglich besten Spieler der Klubhistorie hoch. Seine 280 Tore sind einsamer Rekord in der Spurs-Geschichte.
Dass Tottenham in den vergangenen Jahren der Aufstieg in die Riege der "Big Six" der Premier League gelang, lag zu einem ganz großen Teil auch an ihm. Oder, um es deutlich zu sagen: Ohne Kane wären die Spurs in London und England heute womöglich so relevant wie Crystal Palace.
Doch ein Fußballer spielt auf diesem Level nicht nur für Ruhm, Ehre und Fanliebe, sondern auch für Titel. Kane aber hat in seiner gesamten Karriere genau null - ja, null (!) - Titel vorzuweisen. Keine Champions League, keine Premier League, keinen FA Cup, nicht einmal einen Ligapokal.
Dankbarkeit ist keine Einbahnstraße
Mit den Spurs, so viel scheint klar, wird sich daran in den kommenden Jahren nicht viel ändern. Die Verdienste des Harry Kane für Tottenham sind aber einfach zu groß, als dass Levy einfach darüber hinwegsehen könnte. Von Spielern wird stets Dankbarkeit eingefordert. Aber Dankbarkeit ist keine Einbahnstraße.
Kane hat jahrelang einen ganzen Klub getragen, nun hat er es verdient, für diese Mühen eine Belohnung in Form von Pokalen und Medaillen zu erhalten. Wenn Tottenham ihm das nicht bieten kann, dann sollten sie ihm zumindest einen Wechsel zu einem Klub ermöglichen, der es kann. Die Bayern können es.