FC Bayern: Löchrig und ohne Führung - Abwehr sorgt für Sorgenfalten
Aktualisiert: 21.09.2023
21:06 Uhr
Simon Hartmann
Vorne hui, hinten pfui: Selten hat diese Floskel so gut gepasst, wie beim Auftritt des FC Bayern gegen Manchester United (4:3). Wo liegen die Probleme?
Von Simon Hartmann und Stefan Kumberger
Hinten ist der Wurm drin: Schon wieder nicht zu null, seit dem 1. Bundesliga-Spieltag gegen Werder Bremen (4:0) konnten die Bayern ihren Kasten nicht mehr sauber halten.
Auch beim 4:3 gegen Manchester United wirkten die Münchner hinten oft unsicher und ließen in mehreren Situationen die letzte Konsequenz vermissen.
Es waren bereits die Gegentore Nummer acht bis zehn - in nur sechs Pflichtspielen. Zum Vergleich: In der vergangenen Saison, als die Defensivarbeit auch großes Thema war, hatten die Bayern nach sechs Partien erst fünf Gegentore kassiert.
Zum Champions-League-Start gegen den englischen Rekordmeister brachte auch eine zweimalige Zwei-Tore-Führung keine Ruhe in die Aktionen des FCB. Den Gastgebern geriet die Spielkontrolle immer wieder abhanden.
Der Fehlerbericht ist entsprechend lang, vor allem in der Innenverteidigung. Das 1:2 durch Sommer-Neuzugang Rasmus Højlund war exemplarisch. Gleich fünf Bayern-Spieler arbeiteten nach dem Motto: Nimm Du ihn, ich hab' ihn sicher.
Lerneffekt für die restlichen fast 45 Minuten? Fehlanzeige! Beim 2:3 macht die Defensive der Bayern denselben Fehler wieder.
Auch hier sahen Dayot Upamecano und Min-Jae Kim im Verbund gar nicht gut aus. Da verwunderte das Lob aus dem Mund von Sportdirektor Christoph Freund schon etwas.
"Ich finde der Dayot und der Min-Jae haben ein richtig gutes Spiel gemacht, es ist wichtig, dass sie bei uns sind", beurteilte der Ex-Salzburger die Leistung des Abwehrduos. In der ran-Einzelkritik gehörten Upamecano und Kim dagegen zu den schlechteren Bayern-Stars.
Insgesamt fiel auf: Wirkliche Kritik an der Arbeit gegen den Ball wollte sich keiner der Münchner entlocken lassen. Immerhin waren sie ja auch mit einem blauen Auge davongekommen.
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FC Bayern München vs. Manchester United: Sane als Musterschüler - die Noten
FC Bayern vs. Manchester United: Die Noten der Stars Der FC Bayern kommt zum Auftakt der Champions League zu einem wilden 4:3 gegen Manchester United. ran benotet die Leistungen der Stars.
Sven Ulreich (FC Bayern München) Bewahrt die Bayern gleich zu Beginn vor einem frühen Rückstand. Auch in der Folge äußerst sicher unterwegs und ein guter Rückhalt. Hat beim ersten Gegentor das Pech, dass der Ball von Kim unangenehm abgefälscht wird. Beim dritten Tor der Engländer schläft er allerdings… ran-Note: 3
Alphonso Davies (FC Bayern München) Offensiv äußerst aktiv, trennt sich aber zu selten vom Ball. Harmoniert auf der linken Seite gut mit Gnabry. Diesmal ohne den ganz großen Einfluss auf das Spiel der Bayern. ran-Note: 4
Dayot Upamecano (FC Bayern München) In der ersten Halbzeit mit einigen Wacklern. Verzweifelt am arg kleinlichen Schiedsrichter, der ihn immer wieder zurückpfeift. Vielleicht deswegen agiert er beim ersten Gegentor zu zaghaft. Gewinnt erst gegen Spielende wieder mehr Sicherheit und gewinnt viele Zweikämpfe, ist beim zweiten Gegentor aber wieder nicht im Bilde… ran-Note: 4
Kim Min-Jae (FC Bayern München) Bringt seine Abspiele sicher zu den Kollegen, im Zweikampfverhalten aber teilweise nicht robust genug. Verpasst es, Kimmich und Goretzka adäquat anzuleiten. Verliert beim Gegentreffer den Überblick und kommt dann zu spät. ran-Note: 4
Konrad Laimer (FC Bayern München) Agiert als Rechtsverteidiger sehr seriös und hat seine Seite weitgehend im Griff. Defensiv fleißig, offensiv liefert er aber zu wenig ab. Wird mit der Einwechslung von Coman besser. Freundet sich sichtlich immer mehr mit seiner neuen Position an. ran-Note: 3
Joshua Kimmich (FC Bayern München) Nach Mini-Verletzung wieder voll belastbar – Eckbälle schießen lange Zeit trotzdem andere. Im Mittelfeld deutlich präsenter als Goretzka. Keine Meisterleistung, aber solider Abend für den 28-Jährigen. ran-Note: 3
Leon Goretzka (FC Bayern München) Kann nicht wirklich Impulse setzen. Einige Fehlpässe und ein misslungener Schussversuch lassen ihn in der ersten Halbzeit nicht gut aussehen. Beißt sich nach der Pause in die Partie und gibt den Briten contra. Kann deutlich mehr. ran-Note: 4
Leroy Sane (FC Bayern München) Startet quirlig und fleißig ins Spiel, agiert aber oft zu überhastet. Glänzt dann mit seinem Doppelpass mit Kane und dem Treffer zum 1:0. Ruht sich darauf nicht aus, sondern bleibt Aktivposten. Verpasst in der 55. Minute knapp einen zweiten Treffer. Eindeutig bester Bayern. Wird kurz vor Schlusspfiff ausgewechselt. ran-Note: 1
Jamal Musiala (FC Bayern München) Bereitet mit unnachahmlicher Geschwindigkeit und riesiger Technik den zweiten Bayern-Treffer vor. Bereitet den Engländern gerade im Bereich vor dem Strafraum extreme Probleme. Ein Beispiel: Sein Super-Solo und das Abspiel auf Sane in Minute 55. Auch danach mit Weltklasse-Dribblings. ran-Note: 1
Serge Gnabry (FC Bayern München) Nicht so auffällig wie Sane, aber bei seinem Treffer endlich einmal kaltschnäuzig. Oft ohne Glück, bleibt aber engagiert. Wird in der 63. Minute ausgewechselt. ran-Note: 2
Harry Kane (FC Bayern München) Kommt im ersten Abschnitt selbst nicht in gute Schussposition, lässt aber durch clevere Pässe seine Nebenleute glänzen. Trifft per Elfmeter zum zwischenzeitlichen 3:1 – natürlich absolut sicher. Für einen Mittelstürmer seiner Klasse wieder erstaunlich mannschaftsdienlich unterwegs. Wird kurz vor Spielende ausgewechselt. ran-Note: 2
Andre Onana (Manchester United) Beteiligt sich sehr aktiv am Spielaufbau, was gegen Bayerns Pressing enorm helfen kann. Dafür patzt er entscheidend beim 0:1. Kurz darauf auch mit einem unbestraften Fehlpass. Bei einem weiteren Distanzschuss von Sane mit erneuter Unsicherheit (64.). Ein gebrauchter Tag für ihn. ran-Note: 5.
Diogo Dalot (Manchester United) Ist überfordert mit der technischen Qualität und dem Tempo von Musiala. Verliert beim 0:2 komplett den Kontakt. Kann auch offensiv nur wenig beitragen. ran-Note: 4.
Victor Lindelöf (Manchester United) Grätscht Musiala in letzter Sekunde ab (20.), wirkt in anderen Situationen dafür überfordert mit der Geschwindigkeit der Bayern-Spieler. Verliert zudem hin und wieder den Kontakt zu Kane und kann froh sein, dass seine Fehler nicht härter bestraft werden. ran-Note: 4.
Lisandro Martinez (Manchester United) Wichtiger Zweikampf gegen Gnabry (22.), verliert aber das Duell mit Kane beim 0:1. Schwankt immer wieder zwischen guten Aktionen und schlechtem Timing. Der Frustschubser gegen Kane (62.) zeigt, dass er seine Nerven nicht immer im Griff hat. ran-Note: 4.
Sergio Reguilon (Manchester United) In der Anfangsphase sehr aktiv, setzt Laimer und Upamecano immer wieder unter Druck. Allerdings auch mit schlimmem Fehlpass (19.). Defensiv zudem zu oft im Nachteil gegen Sane, den er nicht in den Griff bekommt. ran-Note: 4.
Christian Eriksen (Manchester United) Ist hellwach bei der ersten Großchance für Manchester United (5.). Taucht danach etwas ab und fällt lange in keine Richtung großartig auf. Hat beim Elfmeterpfiff gegen sich die Hand etwas zu weit draußen. ran-Note: 4.
Casemiro (Manchester United) Führt ein paar sehr gute Zweikämpfe zu Beginn, spielt zudem einen guten Pass, der beinahe zum 1:2-Anschlusstor führt (34.). An vielen Angriffen einleitend beteiligt. Schafft es beim zweiten Bayern-Tor aber nicht, Musiala zu stoppen. Krönt eine insgesamt gute Leistung mit seinen Toren zum zwischenzeitlichen 2:3 sowie zum 3:4-Endstand. ran-Note: 2.
Facundo Pellistri (Manchester United) Ihm fehlt in den entscheidenden Momenten immer mindestens ein Schritt. Verpasst früh die Führung und kommt kurz vor der Pause am zweiten Pfosten zu spät, weil er die Situation falsch einschätzt (34.). Probiert vieles, schafft aber wenig. ran-Note: 4.
Bruno Fernandes (Manchester United) Orientiert sich gegen den Ball immer wieder an Kimmich und sorgt dafür, dass Bayern sich zunächst nicht geordnet befreien kann. Über 90 Minuten gelingt ihm das aber nicht. Schafft es offensiv auch nicht, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Daran ändert sein schöner Freistoß zum 3:4 ganz am Ende nur wenig. ran-Note: 3.
Marcus Rashford (Manchester United) Laimer hat mit ihm zu Beginn große Probleme. Anschließend wird Rashford aber kaum noch eingebunden, was sich zwischenzeitlich auch an seiner Laune zeigt. Defensiv macht er kaum etwas, im zweiten Durchgang allerdings direkt mit dem Assist zum Anschlusstreffer. Wenn offensiv etwas geht, dann meist über ihn. ran-Note: 3.
Rasmus Hojlund (Manchester United) Hat nach 45 Minuten nur acht Ballkontakte, was bezeichnend ist für seinen Auftritt. United findet ihn kaum und so läuft das Spiel meist an ihm vorbei. Trotzdem da, als er zu Beginn der zweiten Hälfte etwas glücklich das 1:2 erzielt. ran-Note: 3.
Scott McTominay (Manchester United) Kommt in der 69. Minute für Eriksen, reiht sich aber nahtlos in das Spiel seiner Kollegen ein. Unbestrafter Fehlpass gleich zu Beginn, andererseits der eine oder andere gewonnene Zweikampf. Insgesamt aber kein großes Upgrade für United. ran-Note: 3.
Alejandro Garnacho (Manchester United) Kommt nach 81 Minuten für Pellistri auf den Platz. ran-Note: Ohne Bewertung.
FC Bayern: Wo sind die Führungsspieler?
Dabei ließ der Auftritt viel zu wünschen übrig. Es schien, als würde die Frische im Kopf fehlen: Was vorne prima funktioniert, bereitet hinten Sorgen.
"Zwei-, dreimal waren wir in der Verteidigung nicht ganz da und haben sie einfach zu Abschlüssen kommen lassen", räumte Sven Ulreich ein.
Zu allem Übel schwächelte dann auch noch der routinierte Torwart selbst, als er beim 3:4 durch Bruno Fernandes' Freistoß eine denkbar schlechte Figur machte. Mitunter eigene Spieler versperrten dem 35-Jährigen die Sicht - eine konsequente Ansage, um die Mitspieler aus dem Sichtfeld zu scheuchen, kam vom Stellvertreter des verletzten Manuel Neuer aber auch nicht.
Damit sind die Münchner schon bei der nächsten Problematik angelangt: der Kommunikation. Es scheint an klaren Führungsspielern zu fehlen - vor allem in der Defensiv-Abteilung. Keiner dirigiert, keiner gibt Anweisungen.
Diese Passivität in der Abwehr schien auch eine Reihe weiter vorne, im Mittelfeld, bemerkt worden zu sein. So pflaumte Sechser Leon Goretzka seinen Kollegen Upamecano an. "Da hat es kurz mal geraucht", beschrieb Müller die Situation nach dem Spiel.
Zugleich suchte das FCB-Urgestein das Problem auch beim zuweilen passiven Gegner. "Dadurch, dass ManUnited nicht so aggressiv war, wirst du manchmal auch davon angesteckt", fand der Weltmeister von 2014.
Müller erklärt Zoff der Bayern-Kollegen
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FC Bayern: Freund setzt weiter auf de Ligt
Fakt ist: Upamecano und Kim halten sich häufig auf dem Platz mit Ansagen zurück, während ein möglicher Leader wie Matthijs de Ligt erneut 90 Minuten auf der Bank sitzen musste. Frustrierend für den ehemaligen Kapitän von Ajax Amsterdam.
Dennoch sieht Freund (noch) kein Problem in der Reservistenrolle des Blondschopfs. "Er ist ein wirklich wichtiger Bestandteil der Mannschaft. Wir haben drei Weltklasse-Verteidiger und die werden wir alle brauchen", sagte der Österreicher.
Solche Aussagen kommen von Trainer Tuchel nicht. Dieser ließ in einem Gespräch mit "DAZN" tief blicken, als er Matthias Sammer und dessen Generalkritik an den fehlenden Führungsspielern in der Nationalmannschaft vollumfänglich zustimmte.
Schließlich sind viele Spieler, die Sammer indirekt mit seiner Kritik angesprochen hatte, beim FCB unter Vertrag.
Auch in den Katakomben war Tuchel offenbar sichtlich angefressen. So soll er zu einem Unbekannten gesagt haben: "They don't chase the ball!" Wer dem Ball hinterherjagen sollte, lässt sich nur mutmaßen, aber vermutlich bezog sich die Aussagen vor allem aufs Mittelfeld mit Goretzka und Joshua Kimmich.
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Tuchel sieht Luft nach oben
Zum Sieg sagte Tuchel: "Es war wichtig für das Vertrauen und die Weiterentwicklung, aber es gibt noch Dinge, die wir besser machen müssen." Umso mehr dürfte ihn gewurmt haben, dass er aufgrund seiner Sperre während des Spiels nicht eingreifen konnte.
Der 50-Jährige, dem nach eigenen Angaben die zweite Hälfte besser gefallen hatte, bilanzierte: "Es gibt noch Phasen in der Bundesliga, wie gegen Leverkusen (2:2), aber die hören dann auch wieder auf - und wir fallen nicht zusammen und geben ganze Spiele ab. Die Reaktionen waren sehr gut heute."
Sicher ist: Wo Bayern draufsteht, ist in dieser Saison eine Menge drin. Das sieht auch Michael Ballack so. "Die Bayern bleiben die Wundertüte, bei der man nicht weiß, was man bekommt", stellte der "DAZN"-Experte nach einem aus Münchner Sicht zu spektakulären Abend fest.