Champions League
FC Bayern München vs. Benfica - Julian Draxler exklusiv: Manuel Neuer? "Die Diskussion ist sehr deutsch"
- Veröffentlicht: 05.11.2024
- 23:34 Uhr
- Von Philipp Kessler
Im Interview mit ran spricht Ex-Nationalspieler Julian Draxler über das Champions-League-Duell seines Ex-Klubs Benfica Lissabon beim FC Bayern, Ex-Coach Thomas Tuchel, die Kritik an Manuel Neuer und seine aktuelle Station in Katar.
Von Philipp Kessler
Julian Draxler gewann in seiner beeindruckenden Karriere unzählige Trophäen: Weltmeister 2014, DFB-Pokalsieger 2010 mit Schalke, 14 französische Titel mit Paris Saint-Germain – und auch die portugiesische Meisterschaft mit Benfica Lissabon 2023.
Trotz seiner nur einjährigen Leihe fühlt sich der 31 Jahre alte Angreifer dem Hauptstadtklub noch immer sehr verbunden.
Im exklusiven ran-Interview spricht Draxler über das Champions-League-Spiel zwischen dem FC Bayern und Benfica am Mittwoch (ab 21:00 Uhr im Liveticker), seine Erfahrungen in Lissabon, seine Zeit aktuell bei Al Ahli in Katar, Startup-Pläne im Ruhrgebiet und seine Investments.
Zu seinem Ex-Verein Schalke 04 und den aktuellen Turbulenzen will er sich hingegen nicht äußern.
Das Wichtigste in Kürze
Benfica "ist fantastisch, sehr familiär und exzellent geführt"
ran: Herr Draxler, welche Gefühle verbinden Sie mit Benfica?
Julian Draxler: Mit Benfica verbinde ich eine sehr schöne Zeit, zwar kurz, aber sehr intensiv. Der Klub ist fantastisch, sehr familiär und exzellent geführt, die Stadt ist super. Ich hätte gerne länger bei Benfica gespielt und finde es immer noch schade, dass es persönlich aufgrund der Verletzungen sportlich nicht gut lief. Aber: Meine Verbindungen zum Klub sind weiterhin sehr gut. Und: Mein Sohn hat dort seine ersten Wochen erlebt, die Zeit war auch privat sehr besonders für uns als Familie.
ran: Während Ihrer Leihe wurden Sie in der Saison 2022/23 mit Benfica portugiesischer Meister. Wie war Ihre Zeit in Lissabon?
Draxler: Wir hatten als Team eine super Saison und mit Roger Schmidt einen sehr guten Trainer. Leider lief es für mich sportlich nicht so gut. Ich war von der Wechsel-Idee damals zwar sofort überzeugt, hatte dann aber mit körperlichen Problemen zu kämpfen. Ich habe mich dennoch in Benfica verliebt, weil ich dort viele tolle Menschen kennengelernt habe.
ran: Gegen die Bayern hat Benfica in zwölf Spielen noch nie gewonnen. Hat Ihr Ex-Klub in München überhaupt eine Chance?
Draxler: Benfica hat gegen jede Mannschaft auf der Welt eine Chance – fragen Sie mal bei Diego Simeone nach. Dennoch bleibt der FC Bayern Favorit.
ran: Anfang Oktober hat Benfica Simeones Atletico Madrid mit 4:0 besiegt. Was kann der Schlüssel zum Erfolg gegen die Bayern sein?
Draxler: Bayern wird versuchen, sehr hoch zu pressen – so wie es Kompany bisher eigentlich immer gespielt hat. Ich glaube der Schlüssel liegt dann darin, die nötige Ruhe und Klasse am Ball zu haben und unter Druck nicht in Panik zu verfallen. Die Räume, die Bayern in den vergangenen Wochen geboten hat, müssen sauber und effektiv bespielt werden. So kann man ihnen wehtun – aber das ist natürlich einfacher gesagt als getan. Barcelona zumindest hat sehr gut vorgemacht, wie es klappen kann.
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Julian Draxler: Benfica hat einen guten Mix
ran: Wie stark ist Benfica aktuell?
Draxler: Im Vergleich zu meiner Benfica-Zeit hat sich schon relativ viel verändert, viele Top-Spieler sind gegangen. Es gehört aber auch zur Philosophie des Vereins, Spieler auszubilden und diese dann gewinnbringend zu verkaufen. Das machen sie seit Jahren hervorragend. Zuletzt habe ich ein paar Spiele gesehen und bin davon überzeugt, dass sie auch jetzt wieder eine sehr gute Mannschaft haben. Sie haben weiterhin einen guten Mix aus jungen, hungrigen, entwicklungsfähigen Spielern und erfahrenen Jungs wie meinen alten Freund Angel di Maria.
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ran: Konnten Sie verstehen, dass sich der Verein von Trainer Roger Schmidt getrennt hat?
Draxler: Ich kann nur die Zeit beurteilen, die ich dort verbracht habe. Da haben Roger und sein Team einen super Job gemacht, hatten eine gute Bindung zur Mannschaft und auch zum Präsidenten Rui Costa. Was letztlich dazu geführt hat, dass Roger entlassen wurde, kann ich nicht beurteilen. Roger bleibt aber ein sehr guter Trainer.
ran: Auch die Bayern haben vor wenigen Monaten einen Trainerwechsel vollzogen. Hat es Sie überrascht, dass Ihr ehemaliger PSG-Trainer Thomas Tuchel in München nicht wirklich erfolgreich war?
Draxler: Ja und nein. Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass ein Top-Trainer wie Thomas und ein Top-Klub wie Bayern perfekt matchen würden. Allerdings hatte ich immer irgendwie den Eindruck, dass Thomas eher fürs Ausland gemacht ist. Er passt mit seiner eigenen Art eher zu ausländischen Klubs, wo es auch mal turbulenter zugeht. Wie er PSG über so eine lange Zeit geführt hat, war schon sehr beeindruckend. Bayern gehört zwar ebenfalls zu den besten Klubs der Welt, aber ich hatte von Anfang an meine Zweifel, ob das bayerische Mia San Mia mit dem doch eher eigenen Kopf von Thomas zusammenpasst.
ran: Sie kennen Manuel Neuer bestens. Wie sehen Sie Ihren früheren Schalke- und DFB-Kollegen aktuell? Er wird derzeit kritisiert, weil er relativ häufig unkontrolliert aus seinem Tor rausläuft.
Draxler: Manu ist der beste Torwart aller Zeiten. Punkt. Man darf ihn natürlich auch kritisieren, aber lasst uns doch auch mal froh sein, dass wir ihn aktuell noch spielen sehen dürfen. Ich finde zudem, dass er nach wie vor auf Top-Niveau ist und für die Bayern noch wichtige Bälle halten wird in dieser Saison. Die Diskussion ist auch sehr deutsch: Ich glaube, Gigi Buffon hätte in Italien fünf Mal pro Spiel aus seinem Tor rennen können, und die Italiener hätten ihn trotz fünf Gegentoren immer noch vergöttert.
Julian Draxler: Wünsche mir einen Benfica-Sieg
ran: In der Bundesliga sind die Bayern bislang unbesiegt, in der Champions League haben sie allerdings zwei von drei Spielen verloren. Wie schätzen Sie die Münchner ein?
Draxler: Ich finde es sehr spannend, wie sich die Bayern entwickeln. Sie sind teilweise mehr als drückend überlegen, aber müssen ihr Spiel gegen die ganz Großen noch verfeinern, um defensiv nicht zu anfällig zu sein. Mal gucken, wie weit sie kommen können dieses Jahr, wenn sie weiterhin so mutig bleiben.
ran: Wie ist Ihr Tipp?
Draxler: Ich denke, Bayern ist Favorit, aber ich wünsche mir für Benfica einen 2:1-Sieg in München.
ran: 15-mal - gegen keinen Gegner haben Sie in Ihrer Karriere öfter gespielt als gegen den FC Bayern. Was war Ihre schmerzhafteste Niederlage?
Draxler: Die Statistik kannte ich bisher gar nicht. Aber ja: Gegen die Bayern haben wir öfter mal verloren – vor allem auswärts in München. Die bitterste Niederlage gegen die Bayern war auf jeden Fall das verlorene Champions-League-Finale 2020 mit PSG. Für mich persönlich war aber das 1:6 in Barcelona die schmerzhafteste Niederlage meiner Karriere (Achtelfinal-Rückspiel in der CL 2017, Anm. d. Red.).
ran: Im Sommer 2023 sind Sie für neun Millionen Euro Ablöse von Paris zu Al Ahli in Katar gewechselt. In sieben Liga-Spielen haben Sie in dieser Saison vier Tore und sechs Vorlagen geliefert. Wie zufrieden sind Sie?
Draxler: Nach langen und vielen Verletzungen macht es momentan einfach wieder Spaß, ohne Schmerzen zum Training zu gehen, einfach Fußball zu spielen. Außerdem gefällt es mir sehr, mit so vielen jüngeren Spielern zu arbeiten, denen ich Tipps geben kann und die echt Bock haben, sich zu verbessern. Ich habe hier meine Rolle gefunden und gehe gerne voran.
Julian Draxler: "Man muss weiterziehen und immer nach vorne blicken"
ran: Sie sprechen die häufigen Verletzungen an, die sich durch ihre gesamte Karriere gezogen haben. Denken Sie manchmal darüber nach, was ohne noch alles möglich gewesen wäre?
Draxler: Fußball ist ein permanentes Auf und Ab – das muss man relativ schnell verstehen als Spieler. Es hilft nichts, wenn man sich zu lange an negativen Erlebnissen aufhängt, man muss weiterziehen und immer nach vorne blicken. Daher denke ich auch nicht darüber nach, was gewesen wäre, wenn. Denn mit "hätte, wenn und aber" kommt man im Leben nicht weiter. Ich möchte keine meiner Erfahrungen missen und bin stolz auf meine bisherige Karriere, auf die Titel, die wir gewonnen haben und auf die Stationen, wo ich gespielt habe. Überall habe ich sehr interessante Menschen kennengelernt, in unterschiedlichen Ländern gelebt, neue Sprachen gelernt.
ran: Sie sind ein Kind des Ruhrgebiets. Ihr früherer Klub Schalke oder auch Dortmund sind weltweit bekannt. Zudem ist die Arbeitermentalität dort berühmt. Welchen Bezug haben Sie noch dorthin?
Draxler: Meine Familie lebt weiterhin im Ruhrgebiet, ich bin daher auch oft zu Hause und habe auch immer noch viele Freunde dort. Mit meinem Kumpel Musti habe ich vor einigen Jahren das Unternehmen "Haarwald" gegründet und auch mit anderen Startups aus dem Ruhrgebiet sprechen wir über mögliche Kooperationen. Ich finde einfach, dass wir aus dem Pott auch mal stolz sein können auf das, was wir haben. Jeder kennt unseren Fußball, unsere Leidenschaft – auch, wenn es mal nicht so gut läuft. Das zeichnet uns doch aus, wir machen immer weiter.
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ran: Wie passt das zusammen: Ruhrgebiet auf der einen, und internationale Fußballbühne auf der anderen Seite?
Draxler: Ich bin zwar viel in der Welt unterwegs, habe meine Freundin in Paris kennengelernt, aber meine Heimat bleibt für immer das Ruhrgebiet. Es ist mir sehr wichtig, meine Wurzeln zu bewahren. Der Pott ist Teil meiner Identität, hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Darauf bin ich stolz.
ran: Auf der Karriere-Plattform LinkedIn teilen Sie regelmäßig Einblicke in Ihren Alltag als Unternehmer und Investor. Wie wählen Sie Ihre Investments?
Draxler: Mir sind die Köpfe hinter den Unternehmen wichtig: Wie ticken die? Wie arbeiten die als Team zusammen? Was sind deren Visionen? Außerdem schaue ich, dass ich meine Expertise aus dem Fußball-Geschäft mit einbringen kann durch Know-How und Kontakte. Daher haben viele Investments von mir einen Bezug zum Sport.
Julian Draxler: Nach der Karriere weiter im Fußball?
ran: Sie sind auch Investor von "Coachwhisperer", einem deutschen Startup, das sich auf Live-Kommunikation im Sport, vor allem im Fußball, konzentriert. Was kann man sich darunter vorstellen?
Draxler: Ich selber habe in Mannschaften gespielt, in denen viele verschiedene Sprachen gesprochen wurden. Die Kommunikation ist für die Trainerteams im modernen internationalen Fußball eine enorme Herausforderung und wird auch durch die taktischen Anforderungen immer komplexer. Durch die Technologie bei "Coachwhisperer" ist es möglich, mit einzelnen Spielern und Gruppen einfach und flexibel zu kommunizieren. Der "Coachwhisperer" besteht aus mehreren perfekt miteinander verbundenen Geräten, um sowohl Trainern als auch Sportlern ein einzigartiges und optimiertes Trainingserlebnis zu bieten.
ran: In welchem Job sehen Sie sich nach Ihrer Karriere?
Draxler: Seit einiger Zeit probiere ich viel aus, als Unternehmer, als Investor, schaue viel über den Tellerrand und sammle dabei viele spannende Eindrücke. Aufgrund meiner Erfahrungen im Fußball und dem weiterhin großen Interesse an diesem Sport kann mir schon vorstellen, weiterhin im Fußball zu arbeiten. Es wäre schon spannend, den Fußball auch aus Managementsicht kennenzulernen.
ran: Wie wichtig ist Ihnen Ihre Rolle als UNICEF-Botschafter, die Sie seit 2018 innehaben?
Draxler: Als Fußballer lebt man ein sehr privilegiertes Leben, das weiß ich sehr zu schätzen und ist auch heute nicht selbstverständlich für mich. Ich möchte mit meinem Engagement einfach etwas zurückgeben und denjenigen helfen, die keine Stimme haben: unseren Kindern.