Champions League
Lothar Matthäus exklusiv zur Hoeneß-Kritik an Thomas Tuchel: "Kann die Aussagen nicht nachvollziehen"
- Aktualisiert: 30.04.2024
- 08:16 Uhr
- ran
Lothar Matthäus äußert sich unter anderem zur öffentlichen Kritik von Uli Hoeneß an Bayern-Trainer Thomas Tuchel wenige Tage vor dem Hinspiel im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid.
Das Interview führte Tobias Hlusiak
Lothar Matthäus hat sich vor dem Hinspiel im Halbfinale der Champions League des FC Bayern München gegen Real Madrid (Di ab 21 Uhr im Liveticker auf ran.de) zur öffentlichen Kritik von Uli Hoeneß an Trainer Thomas Tuchel geäußert.
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Der Rekord-Nationalspieler könne die Aussagen des Ehrenpräsidenten nicht nachvollziehen, sagte er in einem exklusiven Interview bei ran auf einer Veranstaltung von "Interwetten".
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ran: Herr Matthäus, beim FC Bayern brennt vor dem Champions-League-Spiel gegen Real Madrid ein wenig die Luft. Uli Hoeneß hat sich erneut geäußert und gesagt, dass er seine Kritik an Thomas Tuchel nicht zurücknehmen möchte. Können Sie verstehen, dass er die Situation vor einer derart wichtigen Woche so eskalieren lässt?
Lothar Matthäus: Uli Hoeneß ist Uli Hoeneß. So kenne ich ihn. Er fühlt sich nicht schuldig. Ich weiß auch nicht, was er – so wie er es gesagt hat - genau gemeint hat. Ich kann die Aussagen nicht nachvollziehen. Und natürlich hat Thomas Tuchel in der Vergangenheit bei seinen ehemaligen Vereinen gezeigt, dass er mit jungen Spielern arbeiten kann. Er hat bei Mainz 05 angefangen, da sind junge Spieler nach oben gekommen. In Dortmund, in Paris, bei Chelsea. Bei Bayern ist er mit Pavlovic, der aus dem Nichts auf einmal in der Anfangsformation stand, zu seinem Glück gezwungen worden. Es hatte aber mit Verletzungen zu tun, mit der Umstellung von Kimmich auf rechts hinten. Die Aussage von Hoeneß überrascht, weil er auch gesagt hat, dass Thomas Tuchel ihm gesagt habe, dass er mit jungen Spielern nicht kann, dass er keine jungen Spieler verbessern kann. Ich glaube, diese Aussage ist ein wenig verrutscht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Thomas Tuchel so etwas jemals über sich selbst sagt.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Können Sie sich vorstellen, was Uli Hoeneß mit dieser Aussage bezwecken will?
Matthäus: Nein. Ich kann mir aber vorstellen, dass er sagt, Tuchel hat vielleicht nicht viele Spieler bei Bayern verbessert – aber das hat nichts mit den jungen Spielern zu tun. Es war ja sehr viel Unruhe, der Marktwert der Bayern-Spieler ist nicht groß gestiegen, durch die Saison eher gesunken. Bei Leverkusen sind die Marktwerte alle gestiegen. Vielleicht hat er das gemeint. Das hat dann aber nichts mit jungen Spielern zu tun, sondern allgemein mit Spielern. Dass Tuchel einen Spieler nicht verbessert hat und dadurch der Marktwert gesunken ist. Das ist die einzige Erklärung. Dass in Sachen Denkweise und Aussagen einiges verschoben worden ist, dass es falsch rübergekommen ist, beziehungsweise anders interpretiert wird, als Uli Hoeneß es gemeint hat.
Matthäus zur Tuchel-Schelte: "So kenne ich Uli Hoeneß!"
ran: Beim FC Bayern läuft die Suche nach einem neuen Trainer. Ralf Rangnick scheint sich herauszukristallisieren. Ist er jemand, der besser mit Uli Hoeneß klarkommen könnte?
Matthäus: Eigentlich nicht. Ich glaube, gerade in diesem Punkt hat es in der Vergangenheit immer die Abneigung vom FC Bayern gegeben. Wir wissen, wo Ralf Rangnick herkommt. Er hat eine Salzburger Vergangenheit, eine Hoffenheimer Vergangenheit – das ist auch bei den Fans ein Thema. Aber Rangnick ist ein erfolgreicher Trainer. Überall wo er gearbeitet hat, hat der Pfeil nach oben gezeigt, auch jetzt bei der österreichischen Nationalmannschaft. Er hatte viele Stationen, hat dazugelernt, mit vielen Spielern und Verantwortlichen zusammengearbeitet. Er ist einer, der eine klare Meinung hat. Ich glaube, wenn einer nach München kommt und eine klare Meinung und Vorstellung hat, dann sollte der Verein ihn voll unterstützen. Das hoffe ich für den zukünftigen Trainer, ob er Ralf Rangnick heißt oder nicht. Wichtig ist, dass der Trainer des FC Bayern mal wieder Unterstützung bekommt, das war in den vergangenen Jahren ein bisschen zu wenig der Fall. Deswegen gab es auch so viele Veränderungen auf der Trainerbank.
ran: Wenn man auf das Sportliche blickt, auf das Spiel gegen Real Madrid. Wie schwer ist es bei dieser Gemengelage, die Mannschaft sauber auf die Partie vorzubereiten? Und wie schwer ist es für Thomas Tuchel und die Mannschaft, das Ganze auszublenden?
Matthäus: Die Mannschaft ist erfahren genug, Thomas Tuchel ist erfahren genug. Man fühlt, das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer funktioniert besser denn je. Die Atmosphäre in der Kabine ist sehr gut und deswegen würde ich sagen, was interessiert uns das jetzt? Wir haben andere Ziele.
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ran: Was würden Sie Uli Hoeneß jetzt raten?
Matthäus: Uli Hoeneß, der Boss, wie Thomas Tuchel es gesagt hat, obwohl er gar nicht sein Boss ist. Er hat gar keine Position, außer dass er Ehrenpräsident ist. Für den sportlichen Bereich sind andere verantwortlich. Daran sieht man, wie stark Hoeneß noch im Verein ist und wie die Denkweise aller ist. Hoeneß hat jahrzehntelang alles gemacht, damit der FC Bayern da steht, wo er jetzt steht. Nach außen wäre es zurzeit aber gut, wenn er auch einmal an einem Mikrofon vorbeigehen würde. Im Innenverhältnis an der Säbener Straße, in den Büroräumen oder am Tegernsee, wenn jemand zu Besuch kommt, kann man offen über alles sprechen. Aber nicht vor jeder Kamera. Aber wenn er meint, dass er das richtig macht, dann ist das wahrscheinlich eine Meinung, die nicht viele mit ihm teilen.
ran: Real Madrid kommt mit Jude Bellingham, der seit einigen Jahren viele überrascht. Bayern hatte ihn auch einmal auf der Liste, hat damals Gespräche mit der Familie geführt, da war er aber noch sehr jung. Muss man sich als FC Bayern ärgern, dass man diesen Spieler nicht bekommen hat?
Matthäus: Nein. Man darf eines nicht vergessen: Es hat nicht nur der FC Bayern vor einigen Jahren mit der Familie von Bellingham gesprochen, sondern andere Vereine auch – und nicht nur Borussia Dortmund. Es ist immer wichtig, dass man zumindest die Gespräche sucht, wie man es auch mit Xabi Alonso gemacht hat. Den hat man ja auch nicht bekommen, aber Alonso hat eben auch noch andere Möglichkeiten. Für viele junge Spieler ist Bayern München erstmal ein zu großer Schritt, weil ein junger Spieler davon überzeugt sein muss, dass er da auch Spielpraxis bekommt. Das hatte Bellingham nicht, bei Dortmund hat er es vielleicht anders gefühlt, weil es gewisse Beispiele gab, die es bei Bayern in den vergangenen sieben, acht Jahren nicht mehr gegeben hat. Davor sind Schweinsteiger, Lahm und Müller als junge Spieler in die Mannschaft gekommen. Deswegen hat Bellingham den Schritt nach Dortmund gewagt – und auch nicht gleich zu Real Madrid, nicht gleich nach Barcelona. Dortmund ist nicht einer der namhaften Top-10-Vereine in der Welt. Dortmund steht auf junge Spieler, sie vertrauen jungen Spielern, da kann man seine Erfahrungen sammeln - trotzdem auf Champions-League-Niveau, trotzdem in einer Meisterschaft, die zu den besten in Europa gehört. Deswegen war die Entscheidung von Bellingham absolut die richtige.
Matthäus fordert "Umbruch" beim BVB!
ran: Dortmund spielt am Mittwoch gegen PSG. Was diese Mannschaft in Topspielen leisten kann, hat sie in der Champions League gezeigt. Reicht das gegen Paris?
Matthäus: Ich kann mich an das Viertelfinale gegen Atletico Madrid erinnern, da waren drei Halbzeiten überragend. Wenn sie diese Qualität, diese Leidenschaft, diese Kompaktheit und auch dieses Selbstvertrauen gegen Paris mitbringen, dann ist ein Weiterkommen jederzeit möglich.
ran: Für den BVB ist das Halbfinale auch aus finanzieller Sicht ganz wichtig, es kommt viel Geld rein. Auch durch die Teilnahme an der Klub-WM. Wie groß sollte im Sommer der Umbruch bei Dortmund werden?
Matthäus: Der letzte Umbruch hat nicht ganz funktioniert. Sabitzer hat Zeit gebraucht, Nmecha war die meiste Zeit verletzt, Özcan ist ein bisschen früher gekommen, aber auch nicht unbedingt auf dem Niveau eines Spielers, wo Dortmund hin will. Auf den Außenverteidigerpositionen hat man ein bisschen Probleme gehabt, Ryerson und Maatsen sind Spieler, die diese Position endlich einmal zufriedenstellend ausfüllen. In der Innenverteidigung hat es lange gemangelt. Ich glaube, dass Dortmund - ähnlich wie Bayern München - gesehen hat, mit Ballbesitz alleine gewinnt man nicht alle Spiele, man ruft nicht die Leistungen ab, die man braucht. Bayern hat gegen Arsenal auch nicht auf Ballbesitz gespielt, aber erfolgreich. Dortmund energisch, aggressiv den Gegner angelaufen, mit Geschwindigkeit über die Flügel, was für das Dortmunder Spiel wichtig ist. Sie haben mit Füllkrug einen, der weiß, wo im Strafraum das Tor steht. Es passt von den Spielern her eigentlich schon zusammen, die Kompaktheit hat aber in vielen Spielen gefehlt, vor allem in der Bundesliga. Und wenn diese Kompaktheit und Energie da ist, die beim Heimspiel gegen Atletico Madrid da war, dann tut man sich gegen Dortmund schwer. Das haben auch andere große Mannschaften in dieser Champions-League-Saison schon erfahren.
ran: Borussia Dortmund hat mit Lars Ricken einen Nachfolger für Hans-Joachim Watzke gefunden. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Matthäus: Die Entscheidung ist getroffen. Ich glaube, man hat sich dabei etwas gedacht. Lars kennt den Verein aus dem Effeff - als Spieler, als Funktionär. Er war immer nah dran an den Entscheidungsträgern der vergangenen Jahre. Deswegen glaube ich, dass man von Aki Watzke schon erwarten kann, dass er sich das genau überlegt hat, wer in seine großen Fußstapfen tritt. Lars Ricken ist jemand, der bei den Fans gut ankommt, der eine sympathische Art hat, auch bei den Mitarbeitern. Wichtig ist, dass diese Alphatiere, die ehemaligen Spieler von Borussia Dortmund, von denen sich jetzt einige vereint haben (Bender, Sahin, Kehl, Sammer, Anm. d. Red.) die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, miteinander treffen.