Europameisterschaft in Deutschland
EM 2024: Italien am Boden - ein fußballerischer Problemfall
- Aktualisiert: 30.06.2024
- 11:46 Uhr
- Oliver Jensen
Italien ist eine stolze Fußball-Nation und feierte einst große Erfolge. Doch momentan fehlt der Nationalmannschaft alles, was eine erfolgreiche Truppe ausmacht - Qualität, Tempo und eine Spielidee. Ein Kommentar.
Aus Berlin berichtet Oliver Jensen
Drei Jahre genügten, um vom Europameister zum fußballerischen Problemfall zu werden.
Beim Gewinn der EM im Jahre 2021 überragte Italien noch mit einer für sie neuen Idee von Fußball. Sie konnten zwar noch immer gut verteidigen, wie es für Italien eben typisch ist.
Aber: Sie konnten auch mit dem Ball umgehen, spielten teilweise Ballbesitzfußball im Stil der Spanier.
Niemand hätte geahnt, dass es danach steil bergab gehen könnte. Doch was mit der gescheiterten Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar ihren Anfang nahm, hat sich nun bei der Europameisterschaft fortgesetzt.
Wohlgemerkt ein Turnier, für das sich die Italiener ebenfalls nur mit Mühe und Not qualifizierten.
Das Wichtigste in Kürze
Luciano Spalletti: Keine Nationaltrainer-Erfahrung, aber lernwillig
Der Abgang von EM-Held Roberto Mancini, der sein Traineramt bei Italien im August 2023 niederlegte und dann plötzlich selbige Funktion in Saudi-Arabien übernahm, hat die Mannschaft schwer getroffen.
Luciano Spalletti, der mit der SSC Neapel erfolgreich war, sprang ein - hatte bis dato aber keinerlei Erfahrung als Nationaltrainer. Nach dem 0:2-Achtelfinal-Aus gegen die Schweiz nahm er die Schuld auf sich und sagte: "Ich muss mich in diesem Amt verbessern, mehr Kenntnisse gewinnen und daraus lernen."
Er übernahm die Verantwortung, weil er die Spieler nominiert hat, die gegen die Schweiz grandios gescheitert sind.
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Kaum Weltklasse im Kader
Doch wen hätte er sonst nominieren sollen? Abgesehen von Torwart Gianluigi Donnarumma und dem Innenverteidiger Riccardo Calafiori - der erst seit dieser Europameisterschaft der Allgemeinheit bekannt ist und gegen die Schweiz gelbgesperrt fehlte – ist im italienischen Fußball derzeit keine Weltklasse zu finden.
Dies ließe sich zwar kompensieren, wenn die Mannschaft funktioniert. Doch Spalletti musste selber zugeben, dass die italienische Nationalmannschaft keine Grundidee hat, auf die man aufbauen kann.
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Fast schon entschuldigend erklärte der Trainer, dass er lediglich zehn Spiele mit der Mannschaft gehabt hätte, während andere Nationaltrainer vor der EM 20 bis 30 Spiele hatten.
Das ist natürlich nur bedingt als Argument zulässig, denn Julian Nagelsmann übernahm die deutsche Nationalmannschaft fast zur gleichen Zeit. Allerdings steht Spalletti längst nicht die gleiche Kaderqualität wie Nagelsmann zur Verfügung.
Italien: Keine Geschwindigkeit, keine Handlungsschnelligkeit
Der italienischen Mannschaft fehlt eine der wichtigsten Attribute im modernen Fußball: Geschwindigkeit. Die Abwehr ist nicht dazu in der Lage, größere Räume zu verteidigen, weil sie einfach nicht hinterherkommt. Der Trainer hat es selber gesagt: Sie müssen tief stehen, um gar nicht erst zu schnellen Rückläufen gezwungen zu sein. Dies ist ehrlich - und ein Armutszeugnis.
Der Mannschaft fehlt zudem die Fähigkeit, sich auf die Gegebenheiten eines Spiels anzupassen oder das Tempo zu variieren. Handlungsschnelligkeit ist praktisch nicht vorhanden. Spalletti fasst es treffend zusammen: "Wenn wir den Ball hatten, haben wir den Ball sofort wieder verloren."
Spalletti kündigte an, den Weg als Nationaltrainer weiterzugehen. Ihm dürfte bewusst sein, dass dieser langwierig sein könnte. Es wäre nicht überraschend, wenn auch die nächste Weltmeisterschaft wieder ohne Italien stattfinden würde.