Europameisterschaft in Deutschland
EM 2024: Österreich vom Geheim- zum Top-Favoriten - ein Kommentar
- Veröffentlicht: 27.06.2024
- 12:02 Uhr
- Oliver Jensen
Vor der Europameisterschaft galt Österreich als Geheimfavorit. Nach der Vorrunde lässt sich festhalten, dass das Quatsch war. Österreich ist kein Geheimfavorit, sondern ein absoluter Top-Favorit. Diese Mannschaft bringt alles mit, was einen Titelkandidaten auszeichnet. Ein Kommentar.
Ralf Rangnick wollte tiefstapeln. "Ich habe vor einigen Wochen oder Monaten gesagt, ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich, dass wir Europameister werden", erinnerte der Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft nach dem 3:2 gegen die Niederlande.
"Es ist noch immer nicht sehr wahrscheinlich. Aber es macht auch keinen Sinn, sich damit zu beschäftigen."
Beschäftigt man sich allerdings mit dieser Frage, kommt man zu einer gänzlich anderen Einschätzung. Der Weg zum Gewinn der Europameisterschaft mag noch weit sein. Doch diese Mannschaft hat in den drei Gruppenspielen bewiesen, dass sie alles mitbringt, was einen heißen Titelkandidaten ausmacht.
Österreich: Team kann mit Druck umgehen
Es gibt viele Mannschaften, die unter Druck Probleme bekommen. Auf Österreich trifft das nicht zu. Nach dem 0:1 zum Auftakt gegen Frankreich standen sie maximal unter Druck. Hätten sie gegen Polen verloren, wären sie vermutlich ausgeschieden.
Die Spieler gaben später selber zu, wie sehr ihnen dieser Druck zu schaffen machte. Das Besondere ist aber: Davon war auf dem Spielfeld nie etwas zu sehen. Sie dominierten das Spiel gegen Polen und gewannen völlig verdient mit 3:1, ehe sie nun auch die Niederländer an die Wand spielten.
Es gibt viele Mannschaften, die nach einem Gegentor nervös werden und die Spielkontrolle verlieren. Auf Österreich trifft das nicht zu. Gegen Niederlande kassierten sie zweimal den Ausgleich, ließen aber kurz darauf wieder den Führungstreffer folgen. Marcel Sabitzer fasste es passend zusammen: "Wir schütteln uns kurz und machen dann weiter."
Ein Paradebeispiel dafür ist Florian Grillitsch, der erst mit einem haarsträubenden Ballverlust das Gegentor zum 1:1 verschuldete, dann aber nur zwölf Minuten später das 2:1 vorbereitete.
Das Wichtigste zur EM in Kürze
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Österreich hat viel Tiefe im Kader
Es gibt viele Mannschaften, die eine gute erste Elf und dahinter ein großes Leistungsgefälle haben. Auf Österreich trifft das nicht zu. Rangnick hat das eindrucksvoll unter Beweis gestellt und ordentlich rotiert. Nach dem Auftaktspiel gegen Frankreich, das lediglich aufgrund eines Eigentores verloren wurde, nahm er drei Veränderungen an der Startelf vor.
Zwei der hinein rotierten Spielern gelang gegen Polen jeweils ein Treffer – und zwar Marko Arnautovic und Gernot Trauner. Vor dem Spiel gegen die Niederlande veränderte er die Startelf sogar auf vier Positionen. Und was taten die hineinrotierten Spieler?
Alexander Prass leitete mit einer scharfen Hereingabe das Eigentor durch Donyell Malen ein, Romano Schmid machte ein herausragendes Spiel und erzielte per Kopfball das 2:1. Ralf Rangnick beherrscht offenbar das Rotieren – weil er einfach die passenden Spieler dazu hat.
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Österreich kann gegen jede Art von Gegner bestehen
Es gibt viele Mannschaften, die nur gegen bestimmte Gegner glänzen können. Auf Österreich trifft das nicht zu. Sie boten den individuell starken Franzosen Paroli und ließen Kylian Mbappe sowie Ousmane Dembele nicht zur Entfaltung kommen.
Sie dominierten die Polen, die spielerisch überhaupt nicht stattfanden und sich einfach hinten reinstellten. Und auch das fußballerische Potenzial der verspielten Niederländer konnten sie über weite Strecken im Keim ersticken. Diese Mannschaft kann sich offenbar auf jeden Gegner einstellen.
Wer all diese Qualitäten mitbringt und dazu noch einen vermeintlich leichteren Weg ins Finale hätte, könnte durchaus Europameister werden. Auch wenn Rangnick dies (angeblich) für wenig wahrscheinlich hält.