Nations League
DFB-Team vs. Niederlande: Leweling ist mehr als eine Notlösung - Erkenntnisse
- Aktualisiert: 15.10.2024
- 17:14 Uhr
- Martin Volkmar
Nachrücker, Torwart, Chancenverwertung: Der umjubelte Sieg im Prestigeduell gegen die Niederlande bringt Bundestrainer Julian Nagelsmann erneut wichtige Erkenntnisse. ran fasst zusammen.
Vom DFB-Team berichtet Martin Volkmar
Spät in der Nacht wurde bei der deutschen Nationalmannschaft noch einmal in der glorreichen Vergangenheit geschwelgt.
Neben Ex-Kapitän Ilkay Gündogan wurden die letzten 2014er-Weltmeister Manuel Neuer und Thomas Müller zunächst im Stadion und später in einer Loge der Allianz Arena gebührend verabschiedet.
Als einer der letzten verließ Müller um kurz vor zwei Uhr das Stadion.
Zuvor hatte der 35-Jährige allerdings den Blick nach vorne gerichtet. "Die Next Generation steht doch schon vor der Tür", sagte Müller im "ZDF".
Und weiter: "Ich finde, wir sind auf einem positiven Trend. Man sieht Spieler, die sich ins Rampenlicht spielen wollen, weil sie es geil finden, für Deutschland zu spielen."
Das sah man im ausverkauften Münchner Stadion, wo die begeisterten Zuschauer La Ola durch die Ränge laufen ließen und die DFB-Auswahl für den hochverdienten 1:0-Sieg im Klassiker gegen die Niederlande feierten.
Durch den Erfolg im Prestigeduell steht die Mannschaft erstmals und vorzeitig im Viertelfinale der Nations League.
Doch auch abseits dessen brachte die Begegnung erneut wichtige Erkentnisse. ran hat sie zusammengefasst.
Das Wichtigste in Kürze
1. Der Star ist die Mannschaft
Exakt ein Jahr lag das Debüt von Nagelsmann als Bundestrainer in den USA (3:1) am Montag zurück und seitdem hat er das Team runderneuert.
Nicht nur von den Namen her, sondern vor allem hat er der deutschen Elf ihre Identität zurückgegeben.
Am Montag standen in Joshua Kimmich und Antonio Rüdiger nur noch zwei Spieler in der Startelf, die auch beim EM-Viertelfinal-K.o. gegen Spanien (1:2 nach Verlängerung) begonnen hatten.
Doch trotz der zahlreichen Ausfälle und Umstellungen war wie schon beim 2:1 in Bosnien-Herzegowina kein Bruch im Spiel erkennbar, jeder kennt seine Aufgaben und fügt sich nahtlos ein.
"Wir hatten viele neue und junge Spieler mit dabei, wir haben leider viele Verletzte. Aber das hat man gar nicht so gemerkt", meinte Kimmich.
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DFB-Team: Rüdiger lobt Nagelsmann
Für diese Struktur und Automatismen sowie das Selbstvertrauen in die eigene Stärke sei "zum Großteil der Trainer verantwortlich", sagte Rüdiger.
Der zeigte sich nach dem gelungenen Jubiläum entsprechend zufrieden. "Ich bin stolz auf mein Team", sagte Nagelsmann.
Und ergänzte: "Die erste Halbzeit war die beste, die wir im letzten Jahr gespielt haben. Extrem dominant."
Dabei helfe ihm natürlich auch, dass sich die Nachrücker nahtlos eingefügt hätten: "Es ist gut, aus der zweiten Reihe neues Personal gefunden zu haben, das den Konkurrenzkampf enorm erhöht. Jetzt weiß jeder, dass er sich nicht ausruhen kann. Das fördert die Leistung."
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2. Leweling ist mehr als eine Notlösung
Wäre alles normal gelaufen, hätte der Mann des Abends in Stuttgart vor dem Fernseher gesessen.
Jamie Leweling rückte nur aufgrund der vielen Absagen in den DFB-Kader und hätte ohne den kurzfristigen Ausfall von VfB-Teamkollege Deniz Undav auch gegen die Niederlande nicht sein erstes Länderspiel bestritten.
"Wären alle gesund gewesen, wäre er nicht dabei gewesen, so ehrlich muss man sein", gab Nagelsmann hinterher zu.
Er war auch mit Lewelings Auftreten in den Übungseinheiten nicht ganz zufrieden: "Ich habe ihm gestern gesagt, dass ich das Energielevel, was er beim VfB hatte, noch nicht so im Training gemerkt habe. Heute hat er mich eines Besseren belehrt."
Und weiter: "Dass er jetzt so gut spielt, hätte ich nicht erwartet."
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Tatsächlich war der 23-Jährige einer der Aktivposten und hatte großes Pech, dass ihm sein Blitztreffer nach 100 Sekunden nachträglich und sehr umstritten aberkannt wurde.
Das holte Leweling dann nach 64 Minuten mit seinem Siegtor nach. "Das hätte ich mir nicht besser ausmalen können", sagte der Deutsch-Ghanaer, der zu Nagelsmanns Glück vor einem Jahr dem Heimatland seines Vaters abgesagt hatte: "Weil ich Deutscher bin."
Geht es nach dem Kapitän, kann Leweling in jedem Fall wiederkommen. "Er hat uns sehr geholfen, weil er fast gar keine Bälle verloren hat", lobte Kimmich: "Ein sehr reifer und starker Auftritt."
3. Stuttgart übertrumpft Bayern
Die erfolgreiche Arbeit von Sebastian Hoeneß trägt Früchte. Nicht nur für den deutschen Vizemeister, sondern auch für den DFB.
Leweling war bereits der siebte Stuttgarter Debütant seit März 2023, nach Waldemar Antons Wechsel zu Borussia Dortmund standen diesmal immer noch sechs VfB-Profis im deutschen Aufgebot.
Und Rechtsverteidiger Josha Vagnoman könnte der nächste sein.
Schon jetzt stellten die Schwaben die meisten Nationalspieler eines Vereins in Europas Top-5-Ligen, der langjährige Branchenprimus FC Bayern München kam nach den Abschieden von Müller und Neuer sowie den Ausfällen von Jamal Musiala und Leroy Sane nur auf drei Nominierte (Kimmich, Serge Gnabry, Aleksandar Pavlovic).
VfB stellt DFB-Bestwert von 1979 ein
Fünf Stuttgarter kamen zudem im ersten Spiel in Bosnien-Herzegowina zum Einsatz, womit der VfB-Bestwert von 1979 eingestellt wurde. Im Jahr darauf wurde Deutschland dann mit drei VfB-Spielern in der Startelf Europameister.
Ob die Zahlen auch auf eine Wachablösung im deutschen Fußball hindeuten, könnte schon das Süd-Derby am Samstag an gleicher Stelle zeigen.
"Ich hoffe", sagte Leweling über das Topspiel beim FC Bayern, "dass es da den nächsten Sieg gibt".
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4. Deutschland hat kein Torwart-Problem
26 Länderspiele lang musste Oliver Baumann die harte Ersatzbank drücken, ehe er gegen die Niederlande mit 34 Jahren und 134 Tagen zum drittältesten Debütanten der DFB-Geschichte wurde.
"Sie haben ihn alle gefeiert in der Kabine", berichtete Nagelsmann: "Seine Medaille fürs erste Länderspiel war vier Jahre lang im Koffer - jetzt hat er sie endlich."
Dass dies keineswegs nur eine Belohnung fürs lange Warten, sondern für seine Leistungen war, untermauerte Baumann mit seiner souveränen Leistung.
Vor allem war er in der Schlussphase zweimal entscheidend bei Distanzkrachern von Xavi Simons und Donyell Malen mit glänzenden Reflexen zur Stelle.
Oliver Baumann: Perfekter Tag
"Geil war's. Perfekter hätte der Tag nicht sein können. Es ist ein Traum in Erfüllung gegangen, und ich bin sehr, sehr stolz drauf", sagte der Schlussmann der TSG Hoffenheim hinterher.
Gut möglich, dass er beim nächsten Länderspiel in seiner Heimatstadt Freiburg gegen Bosnien-Herzegowina (16. November) erneut den Vorzug vor Alexander Nübel bekommt.
"In dieser Saison", sagte Nagelsmann, "ist Olli einen Tick stärker als Alex".
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5. Die Chancenverwertung bleibt das größte Problem
Wenn man an dem gelungenen Abend in München etwas Negatives finden will, dann bleibt es die Chancenverwertung. 13:3 Torschüsse standen am Ende auf Seiten der Gastgeber, doch nur Leweling traf ins Schwarze.
Auch in Bosnien-Herzegowina hätte die DFB-Auswahl schon längst wesentlich höher als mit 2:0 führen müssen, stattdessen wurde es nach dem Anschlusstreffer von Edin Dzeko nochmal unnötig spannend.
Zwar fügte sich Debütant Tim Kleindienst als Vertretung der verletzten Niclas Füllkrug und Kai Havertz in der Sturmspitze gut in die Mannschaft ein, ein "tödlicher Knipser" ist aber auch der Gladbacher nicht.
Doch schon beim 2:2 in den Niederlanden im September wäre ein Sieg möglich gewesen, wenn die Konter konsequent ausgespielt worden wären.
Und sogar beim 5:0-Auftakterfolg in der Nations League gegen Ungarn hatte Nagelsmann die Abschlussschwäche moniert, die nach seinen Analysen auch ein wesentlicher Grund für das EM-Aus war.
"Wir kommen schon oft vors Tor. Wir waren bei der EM, was Expected Goals angeht, die gefährlichste Mannschaft – mit Abstand", betonte Nagelsmann da: "Gegen Spanien haben wir einen Tick zu viele Chancen liegen lassen, wie gegen Ungarn in der ersten Halbzeit."