SV 07 Elversberg an Tabellenspitze
2. Bundesliga: SV Elversberg - Gallisches Dorf ärgert Top-Teams! Torwart Kristof erklärt das Märchen
- Aktualisiert: 20.12.2024
- 14:22 Uhr
- Mike Stiefelhagen
Nach 16 Spieltagen in der 2. Bundesliga grüßt die SV 07 Elversberg von der Tabellenspitze. Wie eines der Teams mit dem geringsten Etat die Liga so anführen kann, erklärt SVE-Keeper Nicolas Kristof exklusiv bei ran.
Wir befinden uns im Jahre 2024 n.Chr. Die ganze 2. Bundesliga ist von namhaften Teams besetzt … die ganze 2. Bundesliga? Nein! Ein von unbeugsamen Elversbergern bevölkertes Dorf hört nicht auf, den reicheren Klubs Widerstand zu leisten.
Und das Leben ist nicht leicht für die ehemaligen Erstliga-Vereine, die als Besatzung in den befestigten Lagern Hamburg, Schalke, Köln, Berlin, Hannover und Düsseldorf liegen …
Würde die jüngste Geschichte der SV 07 Elversberg verfilmt werden, böte sich das Intro von "Asterix & Obelix" perfekt an. Denn nach 16 Spieltagen in der 2. Bundesliga führt der kleine Verein aus dem Saarland die Tabelle an.
Und damit zeigen sie den gestandenen Klubs, wie es gehen kann. SVE-Torwart Nicolas Kristof erklärt das "gallische Märchen" und verrät das Erfolgsrezept exklusiv bei ran.
Das Wichtigste in Kürze
2. Bundesliga: So spannend wie nie
Wer hätte vor zwei bis drei Jahren darauf gewettet, das Elversberg aktuell die Chance auf die Herbstmeisterschaft in der 2. Bundesliga hat. Zugegeben, mit 28 Punkten ist man der punkteschlechteste Tabellenführer seit Liga-Gründung, doch das ist Nebensache. Sie sind die Überraschung der Saison: "Wir spielen unser zweites Jahr in dieser Liga, ich glaube nicht, dass wir unterschätzt werden. Jeder weiß, was auf ihn zukommt.“
Mit einem Torverhältnis von +12 stellt die SVE die beste Differenz der Liga. In den großen Spielen gegen Köln, Hamburg oder Düsseldorf ging man erfolgreich vom Platz. Kristof sieht seine Mannschaft aber nicht mehr als unbekannten Underdog: "Wir werden nicht mehr unterschätzt. Jeder weiß, was auf ihn zukommt, wenn wir kommen. Wir können zwar im heimischen Stadion noch mit keiner Luxus-Kabine dienen, weil hier alles noch etwas uriger ist. Aber das gibt den zusätzlichen Ansporn."
Überraschende Niederlagen gab es gegen andere kleine Mannschaften, wie Ulm oder Schlusslicht Regensburg. Spaßeshalber nannte man "die Elv" auch den Robin Hood der Liga. Punkteklau bei den "Reichen" und "Starken" und man schenkt es den "Armen" und "Schwachen." Ansonsten stünde die SV Elversberg noch besser.
2022 Meister in der Regionalliga Südwest, 2023 Meister der 3. Liga und im zweiten Zweitliga-Jahr führt man verdient die Tabelle an. Was sich wie ein Spielstand eines Gaming-Spiels liest, ist Realität.
Und die 2. Bundesliga ist gespickt von Traditionsvereinen mit großen Anhängerschaften, die natürlich nichts vom Elversberg-Märchen halten, sondern man möchte "die großen Teams" lieber aufsteigen sehen. Kristof: „Viele Vereine haben auch den Aufstieg als Ziel ausgegeben. Aktuell stehen wir ganz oben, aber zwischen Platz 1 und 10 sind es nur vier Punkte. Das können wir also einordnen, trotzdem freuen wir uns sehr über die aktuelle Situation."
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Erfolgreiche Leihen zum festen Erfolg
Vater des Erfolgs ist neben Trainer-Urgestein Horst Steffen, welcher seit 2018 im Amt ist, auch Sportvorstand Nils-Ole Book, der sich nach seiner Spieler-Profikarriere vom Scout zum obersten Posten des Vereins mauserte. Seine Philosophie ist einleuchtend und in Stein gemeißelt.
Book bietet jungen Talenten einen Plattform. Und verfolgt dabei ein klares Leihmodell. Fisnik Asllani und Muhammed Damar sind aktuell ein positives Beispiel. Beide sind aus Hoffenheim geliehen und stellen die Liga auf den Kopf. Damar war letzte Saison bei seiner Hannover-Leihe nur Bankdrücker, blüht jetzt im SVE-Umfeld komplett auf. Asllani ist mit 10 Toren nach Budu Zivzivadze der erfolgreichste Schütze der Liga, mit 15 Scorern der Top-Scorer.
"Beide sind unfassbar geile Typen," strahlt Kristof. "Und damit meine ich auf und neben dem Platz. Sie mögen nur geliehen sein, aber sie kämpfen füreinander, geben alles fürs Team. Sie kennen sich schon lange und haben untereinander eine besondere Verbindung. Wir als Mannschaft bringen sie jedoch auch in diese angenehme Lage. Sie besitzen großes Talent. Wenn sie so weiter machen, beweisen sie sich auch für höhere Aufgaben."
Vorbilder könnten die vorigen Leihspieler sein, die jetzt in der 1. Bundesliga sehr erfolgreich sind. Denn auch in den Jahren zuvor holte Book Kracher wie Paul Wanner oder Nick Woltemade, die ihren Teil beitrugen. "Ole (Book, Anm. d. Red.) und sein Team verdienen ein großes Lob. Sie leisten jährlich wahnsinnig gute Arbeit," bestätigt Kristof.
Spielt Kristof bald für die Nationalmannschaft?
Neben erfolgreichen Leihen setzt die SVE auf Harmonie. Der restliche Stamm der Mannschaft ist fest verwurzelt. Viele Spieler wie Kapitän Robin Fellhauer, Torwart Nicolas Kristof oder Knipser Luca Schnellbacher sind über die Jahre mit aufgestiegen, entwickelten sich und beweisen ihre Qualität auch in Liga zwei.
Kristof beispielweise war trotz der 60 Gegentore in der abgelaufenen Saison einer der vielversprechendsten Torhüter der Liga. Im abgelaufenen Sommer gab es wohl schon Interesse von anderen Teams aus der ersten und zweiten Liga.
In dieser Saison hielt er sechs Mal den Kasten sauber - Liga-Bestwert. In 16 Spielen gab es nur 18 Gegentore, der zweitbeste Wert der Liga hinter H96 (17 Gegentore.)
Kristof ist zwar in Deutschland aufgewachsen, spielt aber durch seine Wurzeln unter der Flagge Österreichs. Durch seine Leistungen macht er auf sich aufmerksam: "Ich steh im regen Austausch mit dem österreichischen Torwarttrainer Michael Gspurning. Ich mache mir in Sachen Nationalmannschaft aber keinen Kopf. Ich stand zuletzt bereits auf Abruf für Österreich und sehe das als Bestätigung meiner Leistungen. Sollte es irgendwann zu einer finalen Berufung kommen, freue ich mich."
Der Zaubertrank aus Elversberg
So eine Entwicklung ist auch durch das Elversberg-Modell möglich. Es ist wie "Kicken mit Freunden", statt nur eine Mannschaft die auf eigenes Business aus ist. Privat ist das Team gut befreundet. Das merkt man auf dem Platz, sie ackern und kämpfen füreinander, Laufwege sind abgestimmt und die Extra-Qualität kommt über das Leihmodell.
Auf die Frage, ob das der Zaubertrank des gallischen Elversbergs ist, antwortet Kristof schmunzelnd: "Das verrate ich natürlich nicht (lacht). Ja, das ist ein großer Faktor. Wir mögen uns alle und bekommen so auch die Neuzugänge schnell integriert. Wir unternehmen abseits des Platzes viel, um dann auch besser auf dem Platz zu funktionieren. Das ist uns wichtig."
Das Schöne an Fußball: das reicht nicht nur, das ist unschätzbar wertvoll. Während der 1. FC Köln einen Mannschaftwert laut tm.de über rund 64 Millionen Euro besitzt, gefolgt von Hertha BSC (51 Millionen) und dem HSV (44 Millionen), liegt die SVE nur auf Platz 14 der Werttabelle mit 17 Millionen. In der Nähe von Ulm, Braunschweig, Münster und Regensburg. Dem aktuellen Tabellenkeller. Doch bevor Elversberg in dieser Saison absteigt, fällt anderen "der Himmel auf den Kopf".
Aber wer steigt am Ende auf? Kristof: "Gute Frage, momentan ist mit vielen Mannschaften zu rechnen. Auf jeden Fall mit Köln, aber auch mit Darmstadt. Sie sind sehr gut in Form und spielen jetzt konstant. Den HSV würde ich auch zu den Top 3 zählen, aber momentan tendiere ich eher zu Paderborn. In den direkten Duellen mit uns fand ich sie am stärksten." Dort verlor Elversberg vor eigener Kulisse 1:3.
Elversberg: Über Schalke zur Herbstmeisterschaft
Die elversbergische Leidenschaft, dieser klare fußballerische, disziplinierte Plan, diese Harmonie und das ruhige Umfeld lassen den Verein dort stehen, wo er steht. Es ist der Zaubertrank. Im letzten Spiel der Hinrunde kommt der FC Schalke 04 ins gallische Dorf - Kristof: "Das wird kein einfaches Spiel, wenn man sich Schalkes Lauf ansieht. Sie haben gegen das starke Paderborn gewonnen, unglücklich gegen Düsseldorf unentschieden gespielt, obwohl sie klar die bessere Mannschaft waren. Da kommt sehr viel Wucht, sehr viel Kampf und Leidenschaft auf uns zu. Da müssen wir aufpassen und an unsere Leistungsgrenze kommen. Sonst wird es schwierig. Aber Freitag Abend, Flutlichtspiel, Zuhause - was gibt es Schöneres. Ich hoffe auf einen besseren Ausgang für uns."
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Ob Kristof so wohlwollende Worte wählt, nachdem ein Kabinen-Video des Schalke-Kapitäns Kenan Karaman viral ging, als er emotionalisiert auf einen Vorwurf des mangelnden S04-Zusammenhalts von Paderborn-Coach Lukas Kwasniok auf einer Pressekonferenz reagierte? Immerhin spielte Schalke dann geschlossen wie nie und putzte den Tabellenführer auswärts 4:2.
Kristof: "Wir haben natürlich auch das Karaman-Video gesehen. Aber wir müssen jetzt nicht mehr auf unsere Worte achten als vorher. Wenn jemand Worte als Ansporn sieht, dann ist das so. Wenn er etwas ansprechen möchte, sollte er es tun."
Bei einem Sieg ist die Herbstmeisterschaft für Elversberg fix. Die Schalker sind gut drauf, aber beim Teutates, das waren die Römer meist auch ...