Entlassung löst keine Probleme
BVB entlässt Nuri Sahin: Ein kollektives Versagen - Kommentar
- Aktualisiert: 22.01.2025
- 14:18 Uhr
- Kai Esser
Borussia Dortmund hat sich von Cheftrainer Nuri Sahin getrennt. Die Entscheidung war unausweichlich, aber die Probleme des BVB löst das noch lange nicht. Ein Kommentar.
Die Ära von Nuri Sahin bei Borussia Dortmund ist vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hatte.
Ein halbes Jahr nach seiner Installation als Cheftrainer muss Sahin bereits wieder gehen.
Das enttäuschende 1:2 beim FC Bologna in der Champions League war der Tropfen, der das Fass von teilweise kläglichen Unzulänglichkeiten zum Überlaufen brachte.
Doch sind mit der Freistellung der BVB-Legende - zumindest als Spieler wird Sahin das immer sein - Probleme gelöst? Beim besten Willen nicht.
Die Dortmunder haben in den vergangenen Jahren so viele Fehler begangen, dass sie kaum innerhalb einer Halbserie ausgebügelt werden können.
Damit das jedoch irgendwann gelingt, muss absolut jeder Teil des Vereins in die Pflicht genommen werden.
Das Wichtigste in Kürze
Natürlich ist Nuri Sahin nicht von Schuld freizusprechen. Eine Systematik, eine Struktur, klare Abläufe waren beim BVB nur selten zu erkennen.
Vieles, was positiv war, basierte auf der individuellen Klasse von Spielern wie Jamie Gittens oder Serhou Guirassy.
Sahin setzte die Spieler nicht richtig ein
Dass während einer sportlichen Krise das Nachdenken bei den Spielern anfängt, sobald ein minimaler Rückschlag erfolgt, ist nur menschlich und von den besten Trainern der Welt nicht aufzuhalten - da muss man nur bei Manchester United nachfragen.
Allerdings hat Sahin die Qualitäten seiner Spieler nur selten richtig in Szene setzen können. Marcel Sabitzer beispielsweise entpuppte sich in der vergangenen Saison als absoluter Leader und führte die Dortmunder beinahe im Alleingang ins Champions-League-Finale. Unter Edin Terzic war der Österreicher im zentralen Mittelfeld gesetzt, unter Sahin tauchte Sabitzer dort kaum auf.
Das betrifft auch Neuzugänge: Maximilian Beier spielte eine Fabelsaison bei der TSG Hoffenheim als hängende Spitze hinter einem massiven Mittelstürmer Wout Weghorst.
Der gleiche Spielertyp ist Guirassy, der wiederum mit Deniz Undav einen Partner beim VfB Stuttgart hatte, der Beier ähnelt. Vom Trainer von Borussia Dortmund muss man erwarten, diese Puzzleteile funktional zusammenzusetzen.
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BVB: Kaderplanung mangelhaft
Allerdings heißt das nicht, dass die sportliche Führung durch zwei auf dem Papier sinnvolle Transfers freizusprechen sind. Sportdirektor Sebastian Kehl, Chefscout Sven Mislintat und auch Geschäftsführer Lars Ricken - sie sind für den Kader verantwortlich, den Sahin zur Verfügung hatte. Und bei dem krankt es an allen Ecken.
Mit Niclas Füllkrug, Mats Hummels und Marco Reus gingen drei absolute Stützen des BVB, die zudem absolute Publikumslieblnge und Identifikationsfiguren waren. Seitdem herrscht ein sichbares Führungsvakuum im Team.
Doch bei den Nachbesetzungen wirkte es so, als hätten die Kaderplaner Karrieremodus gespielt. Alte Spieler verkauft, jüngere Spieler gekauft.
Und trotzdem so wenig Abwehrspieler zur Verfügung , dass Emre Can und Pascal Groß stets positionsfremd in der Defensive auflaufen müssen.
BVB fehlt die Struktur in der Führung
Überhaupt brauchen die Dortmunder dringend eine sinnvolle Struktur in der Führung.
Sebastian Kehl wird für den fehlgeplanten Kader mit einer Vertragsverlängerung belohnt, der vor dem Abchied stehende Hans-Joachim Watzke ist noch immer Sprachrohr und der eigentliche BVB-Berater Matthias Sammer versenkt die Mannschaft als TV-Experte.
Gleichzeitig fremdelt der neue Geschäftsführer Lars Ricken mit der Rolle an vorderster Front und der eigentliche Kaderplaner Sven Mislintat agiert offenbar im Hintergrund gegen seinen Vorgesetzten Kehl.
Wie soll da Ruhe in den Verein kommen?
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Borussia Dortmund: Die Mannschaft ist in der Pflicht
Verantwortlich für den sportlichen Turnaround ist jedoch nur die Mannschaft. Die sollte den Trainerwechsel als das verstehen, was er ist: Eine persönliche Niederlage jedes einzelnen Spielers.
Nur, wenn sich dabei keiner rausnimmt, kann Dortmund der Umschwung gelingen. Denn fußballerisch ist diese Mannschaft noch immer begabt.
Vielleicht reicht es nicht, um dem FC Bayern oder Bayer Leverkusen auf Strecke gefährlich zu werden, aber spätestens dahinter sollte sich der BVB einsortieren können.
Platz zehn aktuell klingt auch deutlich schlimmer, als es tatsächlich ist. Auf die Champions-League-Plätze sind es "nur" sieben Punkte Rückstand, das ist ob der schwankenden Konkurrenz absolut aufholbar.
Dass der viel zitierte "Trainereffekt" nicht nur Schall und Rauch, sondern eine Tatsache ist, bestätigt jeder, der mal Profi war. Die Uhren sind auf Null gesetzt und jeder Spieler erhält eine frische Chance.
Allerdings wird sich nur etwas ändern, wenn alle im Verein ihre Fehler erkennen und es ab jetzt besser machen.