So kam es zur wende
Eintracht Frankfurt: Eine Statistik sollte dem FC Bayern Angst machen - das Team von Dino Toppmöller in der Analyse
- Veröffentlicht: 06.10.2024
- 10:15 Uhr
- Michal Swiderski
Letzte Saison enttäuschend, jetzt keimen plötzlich Titelträume auf. ran erklärt die zwei Gesichter von Dino Toppmöller, analysiert die Transferstrategie der Adler und nimmt die SGE-Angreifer unter die Lupe.
Von Michal Swiderski
Die Spielzeit 2023/24 - für Eintracht Frankfurt eine große Enttäuschung. Eine 16-Punkte-Schlucht trennte die SGE am Ende von der Top-5 in der Bundesliga. In DFB-Pokal und Conference League war jeweils früh Schluss. Zudem lud der Spielstil eher zum Nickerchen statt Mitfiebern ein, sodass sogar Pfiffe im Deutsche Bank Park keine Seltenheit waren.
Davon ist jetzt kaum etwas übrig. Im Hexenkessel von Besiktas Istanbul ließen die Hessen ihrem Gegner keine Chance. Am Sonntag empfangen sie die Münchner um Trainer Vincent Kompany schließlich als Bayern-Jäger Nummer eins (ab 17:30 Uhr im ran-Liveticker). Was ist passiert? ran hat fünf Gründe für den Höhenflug der Adler ausgearbeitet.
1. Geduld und Kontinuität zahlen sich aus
Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, deswegen hätte eine Trennung von Dino Toppmöller wohl die wenigsten schockiert. Sportvorstand Markus Krösche hatte in der vergangenen Spielzeit zwar eine Jobgarantie vermieden, aber letztendlich an seinem Cheftrainer festgehalten.
Das erweist sich nun im Nachhinein als goldrichtige Entscheidung. Toppmöller, in der Vorsaison noch für seine vermeintlich ideenlose Spielweise kritisiert, lässt plötzlich zaubern. Die Weiterentwicklung spiegelt sich etwa im Auftreten seiner Doppelsechs wider.
Die stillen Helden der SGE: Mittelfeld-Duo Skhiri und Larsson
Ellyes Skhiri und Hugo Larsson agieren mutiger und entscheiden sich inzwischen seltener für Rückpässe, wobei sich Ersterer weiterhin auf seine Abräumerqualitäten in der Defensive konzentriert.
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Das Wichtigste in Kürze
Der junge Schwede blüht in seiner zweiten Saison am Main so richtig auf. Nach Spieltag vier konnte Larsson bereits zwei Treffer vorweisen und damit genauso viel wie im Frankfurt-Dress zuvor. Fakt ist: Von einem solchen Duo profitiert die ganze Mannschaft. Die Eintracht honorierte die starken Leistungen Larssons mit einer Vertragsverlängerung bis 2029.
Transfers ermöglichen Toppmöller langersehnte Umstellung
In puncto In-Game-Coaching ist bei Toppmöller ebenfalls eine positive Tendenz erkennbar. Zum Beispiel die Umstellung von Fünfer- auf Viererkette leitete Frankfurt in der Partie gegen Wolfsburg die Siegerstraße.
Generell gilt der ehemalige Stürmer als Freund der Viererkette, die jetzt eine Option ohne Einschränkungen darstellt. 2023/24 agierte die SGE noch meistens im 3-4-2-1.
Nicht weniger wichtig ist die Tatsache, dass auch spielertechnisch größere Änderungen ausblieben. Der 43-Jährige bestätigte dies vor dem 3:1-Erfolg in der Europa League selbst: "Dass die Mannschaft beisammen geblieben ist, ist ein großer Vorteil.“
2. Transfer-Genie Krösche feilt an Meisterwerk
Tatsächlich verließ mit Innenverteidiger Willian Pacho lediglich ein absoluter Leistungsträger die Hessen und wechselte für 40 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain.
Das bedeutet allerdings nicht, dass Krösche im Sommer tatenlos zugesehen hatte. Im Gegenteil: Der Ex-Leipziger nutzte seine erste Durchschnaufpause als Frankfurt-Boss für sinnvolle Kaderergänzungen. So lotste er etwa Nürnberg-Juwel Can Uzun in die Mainmetropole und verstärkte mit den Leihen von Arthur Theate und Rasmus Kristensen die Abwehr.
Abkehr vom reinen Ballbesitzfußball resultiert in Torflut
Dank dieser cleveren Deals kann auf eine ausgewogene Mischung aus Talent-Ensemble und Routinier-Truppe zurückgreifen und die erwähnten Taktikoptimierungen in die Tat umsetzen.
Wie gut funktioniert das? Die Eintracht steht in der Ballbesitztabelle mit 43 Prozent nur noch auf Platz 14, klopft mit elf geschossenen Toren dafür bei der Top-3 an. Zu diesem Saisonzeitpunkt konnte der Klub letztes Jahr vier Treffer vorweisen.
3. Das große Warten hat ein Ende: SGE-Supersturm
Maßgeblich an dieser Offensiv-Explosion beteiligt ist auch das Traum-Duo um Hugo Ekitike und Omar Marmoush. Erstmals seit dem Abschied von Randal Kolo Muani kann die SGE nach der unglücklichen Verpflichtung von Sasa Kalajdzic endlich wieder auf einen erstklassigen Angriff zählen.
Bundesliga-Transfergerüchte: Ablösefreier Deal? Bayern offenbar an DFB-Juwel dran
Moment, beide Spieler standen doch auch schon in der vergangenen Saison im Kader. Ja, aber der Star-Neuzugang aus Frankreich benötigte ein wenig Anlaufzeit und zündete erst im Endspurt mit vier Toren ab Spieltag 30.
Die Rolle der Frankfurter Lebensversicherung übernahm daher Marmoush. Alleine auf nationaler Ebene knipste der Ägypter zwölfmal und steuerte sechs Vorlagen bei.
Marmoush profitiert von Ekitike - bald im Trio mit Talent?
An der Seite von Ekitike entfaltet er nun sein volles Potenzial. Das Duo hilft auch in der Chancenkreation mit - die geniale Technik, bemerkenswerte Geschwindigkeit und das unberechenbare Dribbling sind ohnehin allseits bekannt.
Mit Igor Matanovic blieb eben sogar noch ein Edeljoker unerwähnt. Der Leihrückkehrer hat es angesichts der namhaften Konkurrenz natürlich nicht leicht, doch Toppmöller weiß um das Talent des 21-Jährigen und philosophierte im Gespräch mit "hr-sport" zuletzt vorsichtig über eine "Büffel-Gazellen-Herde" mit Marmoush und Ekitike.
4. Die enttäuschende Vorsaison wird zum Vorteil
Sowohl bei der sportlichen Umsetzung als auch bei der Kommunikation nach außen kann sich der Eintracht-Trainer auf Unterstützung verlassen. Während Xaver Zembrod und Jan Fießer im Juli zum Trainerteam stießen, wechselte Toppmöller zur Agentur "Sports360".
Diese Entscheidungen offenbarten eine wertvolle Charaktereigenschaft: Der 43-Jährige ist kritikfähig und nimmt Hilfe an, wenn er sie gebrauchen kann. Die Früchte der Neuausrichtung sollten schon bald folgen.
Nach Anfangsschwierigkeiten: Toppmöller holt auf
Obwohl Toppmöller sich als echter Frankfurter bezeichnen darf, musste er sich erst in die Herzen der Fans spielen. Schließlich trat er in die Fußstapfen von Publikumsliebling Oliver Glasner. Zu Beginn gestaltete sich das schwierig, aber unter anderem dank der verbesserten Kommunikation trauern mittlerweile wohl deutlich weniger SGE-Fans ihrem Ex-Coach hinterher.
Das vergleichsweise schwache Abschneiden 2023/24, mehr Unterstützung, die höhere Toppmöller-Beliebtheit - das trug dazu bei, dass der Druck deutlich gefallen ist. Natürlich kann man sich besser auf seine Arbeit konzentrieren, wenn man sich nicht wöchentlich Gedanken um seine Zukunft machen muss.
5. Die Eintracht im positiven Teufelskreis "gefangen"
Druck kann aufgeteilt oder von außen gemindert werden, aber die effektivste Methode dagegen bleiben zufriedenstellende Ergebnisse. Dass die Hessen solche aktuell einfahren, wirkt sich wiederum positiv auf die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft und auf den Rängen aus.
Obwohl auch Frankfurt nicht ohne Kritik auskommt, scheint diese derzeit nicht in Unruhen zu resultieren. Ersatztorwart Kaua Santos musste sich zum Beispiel nach einer durchwachsenen Leistung gegen Pilsen deutliche Worte von seinem Trainer anhören. Ein verbaler Konter folgte jedoch nicht. Stattdessen antwortete der junge Brasilianer mit einer Gala-Vorstellung gegen Besiktas - daran änderte auch ein Patzer in der Schlussphase nichts.
Fans wieder da - irre Statistik belegt Frankfurts Heimstärke
Das Team hat Lust. An Beweisen dafür mangelt es nicht. So kämpfte sich etwa der zwischenzeitlich ausgebootete Junior Dina Ebimbe zurück in den Kader und Neuzugang Rasmus Kristensen fiel dabei auf, wie er seinen Mannschaftskollegen vor der Einwechslung die nötigen Anweisungen gab. Die "neue" SGE kommt anscheinend auch bei den Fans gut an.
Spielen die Anhänger mit, tritt die Toppmöller-Auswahl fast in Überzahl auf. Die beiden Bundesliga-Heimspiele in dieser Saison entschied die Eintracht für sich - Tordifferenz 5:1. Noch deutlicher wird der Unterschied bei einem Blick auf die Tabelle von 2023/24. 29 Punkte sammelte das Team im eigenen Stadion, 18 waren es auswärts.
In Frankfurt entwickelt sich viel in die richtige Richtung. Die Adler haben bereits 2022 gezeigt, wohin ein solcher Trend führen kann.