Bundesliga
FC Bayern: Not-Transfer? Ein Barca-Star könnte helfen
- Aktualisiert: 26.08.2024
- 20:12 Uhr
- Justin Kraft
In Wolfsburg offenbaren sich für den FC Bayern München Probleme, die er selbst zu verantworten hat. Die Innenverteidigung ist weiterhin eine Schwachstelle – und es besteht Handlungsbedarf. Doch wie kann eine Lösung aussehen?
"Wenn nichts mehr Außergewöhnliches passiert, dann haben wir den Kader stehen für die neue Saison", sagte Max Eberl noch vor wenigen Tagen, als er gefragt wurde, ob noch etwas passiert.
Nun kann man den Auftritt des FC Bayern in Wolfsburg zum Bundesliga-Auftakt sicher nicht als außergewöhnlich bezeichnen. Denn im Prinzip war ja alles wie immer beim Rekordmeister: Eine ordentliche erste Halbzeit, eine gute Grundkontrolle, sogar eine schmale 1:0-Führung – und dann eine zweite Halbzeit, die im Tiefschlaf begonnen wird.
Erst rückt Dayot Upamecano aus der Viererkette, um in einer Situation nach vorn zu verteidigen, in der es ihn in seiner Position gebraucht hätte. Wolfsburg findet neben Min-jae Kim die Lücke und Sacha Boey zieht den Elfmeter. Am Ende wird vor allem über das Foul des Rechtsverteidigers gesprochen, doch die Fehler passierten vorher.
Nur wenige Sekunden später der nächste Schockmoment für die Bayern: Wieder sieht Kim nicht gut aus, wird in der Vorwärtsbewegung recht simpel überspielt. Auch Upamecano ist schon wieder auf dem Weg nach vorn, statt abzusichern. Das Grundprinzip, dass ein Verteidiger attackiert und der andere sich zur Absicherung fallen lässt? Missachtet. Beide spekulieren und verzocken sich.
Das Wichtigste in Kürze
Wolfsburg trifft anschließend den Pfosten. Doch der Führungstreffer lässt nicht lang auf sich warten: Wieder ist es Kim, der den entscheidenden Fehler macht. Im Aufbauspiel gelingt ihm der Rückpass auf Neuer nicht und so schickt er Patrick Wimmer auf die Reise, der nur querlegen muss und so das 2:1 für den VfL vorbereitet.
Wenige Minuten, die mehr sind als ein Ausrutscher. Minuten, die zeigen, dass der FCB ein Problem hat. Ein Problem, das man jetzt lösen muss. Nur wie?
FC Bayern: Die Innenverteidigung kaputt gewirtschaftet?
Um das Problem noch besser zu verstehen, muss man etwas ausholen. Für Innenverteidiger gab der FC Bayern in den letzten fünf Jahren mehr als 250 Millionen Euro aus.
Der Transfer von Lucas Hernandez für 80 Millionen Euro von Atletico Madrid gilt für viele dabei als Knackpunkt in der jüngeren Geschichte. Denn der Franzose kostete nicht nur initial viel Geld, sondern auch fortlaufend. Bis heute ist nicht ganz klar, wie viel der Innenverteidiger in München verdient hat. Mehrere Medien berichteten aber, dass er das Gehaltsgefüge des Rekordmeisters gesprengt habe.
Laut der Datenbank "Capology" bekam der damals 23-jährige Neuzugang rund 18 Millionen Euro Fixgehalt pro Saison. Damals verdienten nur Manuel Neuer, Thomas Müller (beide um die 20 Millionen Euro) und Robert Lewandowski (23 Millionen Euro) mehr.
Der Haken: Hernandez setzte sich nicht so richtig durch. In seiner ersten Saison absolvierte er auch wegen Verletzungen nur 1.120 Minuten. Im darauffolgenden Jahr waren es immerhin 2.692, doch die Kritik an ihm, seinen Leistungen und seiner Anfälligkeit für Verletzungen blieb.
Hernandez fing sich, entwickelte sich zunehmend zum Stammspieler. Aber rechtfertigte das ein Top-4-Gehalt? Andere Spieler wurden vorstellig, orientierten sich an seinem Gehalt, wenn es um eine Vertragsverlängerung ging. Auch spätere Neuzugänge in der Innenverteidigung wussten, was Hernandez verdient oder verdient hat. So soll Matthijs de Ligt später ein Fixgehalt von immerhin rund 16 Millionen Euro ausgehandelt haben.
Bayern werkelte weiter an der Abwehr herum, fand aber weder sportlich noch in der Hierarchie eine zufriedenstellende Situation. Auch de Ligt musste nun nach nur zwei Spielzeiten wieder gehen – obwohl er sich als einer der stabilsten Verteidiger in München etabliert hatte. Ein Grund: Sein hohes Gehalt.
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Matthijs de Ligt: Quasi ersatzlos gestrichen
Bayern hat sich selbst das Ziel auferlegt, die Gehaltsstruktur wieder gesünder zu gestalten. Natürlich kann die aktuelle sportliche Leitung nichts dafür, was in den letzten Jahren verhandelt wurde. Und doch leidet der Kader ausgerechnet auf dieser wichtigen Position darunter.
Denn rein sportlich betrachtet fehlt de Ligt. Das wurde in Wolfsburg sehr deutlich. Fehler wie die von Upamecano oder Kim sind ihm selten bis gar nicht passiert. Aus dem Umfeld des Rekordmeisters heißt es zwar immer wieder, dass der Niederländer auch wegen seiner überschaubaren Qualitäten im Aufbauspiel abgegeben wurde, doch bis auf Upamecano können seine Konkurrenten hier auch nicht wirklich punkten.
Kim spielte gar mehrere katastrophale Pässe, brachte nur 60 seiner 76 Zuspiele an einen Mitspieler. Er wirkte unsicher, nervös und schlicht überfordert. Wie schon oftmals in der vergangenen Saison.
Die Bayern haben mit Hiroki Ito zwar einen Spieler geholt, der in der Innenverteidigung zu Hause ist. Doch die Frage ist, ob der Japaner tatsächlich das Niveau hat, diese Lücke zu stopfen. Ito ist gut im Aufbauspiel – zumindest war er das beim VfB Stuttgart. Aber der FC Bayern ist eine andere Hausnummer.
Der FC Bayern muss handeln
Eigentlich kann es daher keine Option sein, sich darauf zu verlassen, dass Kim und Upamecano plötzlich ihre Form finden und diese über eine ganze Saison hinweg halten. Es kann auch keine Option sein, sich weiterhin auf einen 30-Jährigen Eric Dier zu verlassen, der mit seiner Geschwindigkeit bei der hohen Positionierung der Mannschaft unter Kompany Schwierigkeiten bekommen könnte.
Und auch Josip Stanisic, der seine Stärken eher auf rechts hat, kann für einen Klub, der in der Champions League die größmöglichen Ziele verfolgt, nicht die Lösung sein. Also muss man auf dem Transfermarkt womöglich doch nochmal tätig werden.
Es braucht in erster Linie einen Innenverteidiger, der konstant auf sehr hohem Niveau verteidigen kann. Angesichts der Spielidee von Kompany, die viel Risiko im Spielaufbau beinhaltet, wäre es zudem nicht verkehrt, wenn derjenige auch gut mit dem Ball am Fuß ist.
Doch wer soll das überhaupt sein? Fakt ist, dass die Bayern es bereits verschlafen haben, sich rechtzeitig darum zu kümmern. Am Ende des Transferfensters gibt es oft nur noch Kompromisslösungen.
Jonathan Tah: Die bestmögliche Lösung?
Lange hat man sich damit beschäftigt, Jonathan Tah an die Säbener Straße zu holen. Der DFB-Kicker hat das Potenzial, die Defensive zu stabilisieren und zumindest die einfachen Fehler zu reduzieren.
Gleichwohl ist Tah niemand, der das Aufbauspiel auf eine neue Stufe hebt. Auch hier wäre von ihm mehr Sicherheit zu erwarten als etwa von Kim. Ein herausragender Passgeber ist er aber nicht.
Tah ist im Rahmen des selbstauferlegten Sparkurses ein guter Kompromiss gewesen. Allerdings auch einer, den die Bayern – wohl wegen interner Zweifel an seiner Qualität – nicht durchgezogen haben.
Was zwei weitere Fragen aufwirft: Warum beschränkt sich der FCB selbst in seinen finanziellen Möglichkeiten? Und warum sucht man auf eine der größten Baustellen nicht nach einer absoluten A-Lösung?
FC Bayern: Ein Barca-Star könnte helfen
Die Frage nach der finanziellen Situation ist kompliziert. Fakt ist, dass die Bayern wirtschaftlich kerngesund sind. Selbst die im europäischen Vergleich hohen Gehälter schaden den umsatzstarken Münchnern kaum. Die gesamten Personalkosten des Klubs betrugen in den vergangenen Jahren nie mehr als 60 Prozent des Umsatzes – eine der gesündesten Quoten aller Spitzenklubs in Europa.
Bayern kann diese Gehälter zahlen. Bayern will sie aber nicht für Spieler zahlen, die nicht absolute Weltklasseleistungen bringen. Nachvollziehbar. Dennoch gefährdet man den sportlichen Erfolg, wenn man einen potenziellen Top-Spieler gehen lässt und diesen nicht gleichwertig ersetzt.
Unter Thomas Tuchel soll es im vergangenen Winter Interesse an Barcelonas Ronald Araujo gegeben haben. Der Uruguayer zählt zweifelsohne zu den besten Innenverteidigern der Welt, kann ein Spiel defensiv und im Spielaufbau durchaus bereichern.
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Problematisch war hier vor allem die hohe Ablöseforderung der Katalanen. So sollen sie weit über 100 Millionen Euro verlangt haben. Doch wie sähe die Situation heute aus? Araujo hat nur noch bis 2026 Vertrag, fällt vermutlich noch bis Oktober aus und Barca muss Spieler verkaufen, um Neuzugang Dani Olmo registrieren zu können. Der Uruguayer verdient laut "Capology" rund sieben Millionen Euro pro Saison.
Nur eines von einigen Beispielen. Ein Klub wie der FC Bayern sollte in der Lage sein, einen Spieler zu finden, der zum Profil des Trainers passt und der die Fehleranfälligkeit in der Defensive reduzieren kann.
FC Bayern: Nicht zum ersten Mal schläfrig
Schon im Sommer 2022 und im Sommer 2023 machte man jeweils den Fehler, auf wichtigen Positionen zu glauben, man würde schon erfolgreich durch die Saison kommen. 2022 verließ Robert Lewandowski den FCB. Ein Ersatz wurde nicht verpflichtet.
Ein Jahr später war die berühmte "Holding Six" das große Thema des Transferfensters. Bayern wehrte sich gegen den Bedarf. Erst wenige Tage vor dem Ende der Wechselperiode wurde man aktiv. Zu spät. Der Transfer von Joao Palhinha platzte in letzter Sekunde.
In beiden Jahren waren die Schwächen auf den jeweiligen Positionen sehr deutlich zu erkennen. Nun droht dasselbe Szenario in der Innenverteidigung. Es mag keine außergewöhnliche Situation für den FC Bayern sein. Aber es ist eine, die die Verantwortlichen in Alarmbereitschaft versetzen sollte.