Motorsport
Formel-1-Hoffnung Tim Tramnitz: So hart ist die berüchtigte Red-Bull-Schule
- Aktualisiert: 20.09.2024
- 15:41 Uhr
- Andreas Reiners
Tim Tramnitz spricht im ran-Interview über seine Rookie-Saison, die Herausforderungen, Gespräche mit Dr. Marko, die Zukunft und Mick Schumacher als Warnschuss.
Das Interview führte Andreas Reiners
Wenn es um sein Ziel geht, gibt es für Tim Tramnitz kein Zögern.
Die Formel 1 soll es sein. Und zwar ab 2027. Es kann nie schaden, große Ambitionen zu haben. Und der Deutsche ist immerhin Teil der Red-Bull-Nachwuchsakademie. Berühmt- und berüchtigt als harte Schule, aber wer sich hier durchsetzt, ist fraglos bereit für die Aufgaben in der Königsklasse.
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2024 hat Tramnitz seine erste Saison in der Formel 3 absolviert. Aktuell geht es darum, 2025 abzustecken: Noch ein Jahr Formel 3? Oder doch der Sprung in die Formel 2?
Im ran-Interview spricht der 19-Jährige unter anderem über die Schwierigkeiten in der zurückliegenden Saison, Gespräche mit Dr. Helmut Marko, den Druck im Kampf gegen die Konkurrenz, die Zukunft und Mick Schumacher als Warnschuss.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Tim Tramnitz, Platz drei in der Rookie-Wertung, Platz neun insgesamt: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Debütsaison in der Formel 3?
Tim Tramnitz: Ehrlich gesagt war es ein schwieriges Jahr. Weil einfach viel schiefgelaufen ist und wir viel Potenzial verschenkt haben. Aber ich glaube, wenn man sich die Ergebnisse anschaut, ist es im Endeffekt trotzdem eine solide Rookie-Saison gewesen. Mit ein paar Podien und einem Rennsieg. Aber trotzdem hätte ich mir ehrlich gesagt ein bisschen mehr erhofft.
ran: Wo und wie haben Sie etwas verschenkt?
Tramnitz: In Silverstone zum Beispiel hat von der Strategie her nicht alles optimal hingehauen. Wir haben Fehler gemacht, die uns viele Punkte gekostet haben. Dann gab es generell Kleinigkeiten hier und da im Qualifying, wo ich die letzten Zehntelsekunden irgendwo liegen gelassen habe. Ein paar Kleinigkeiten, die uns im Endeffekt extrem viele Punkte gekostet haben. Aber hätte, wäre, wenn - man kann es nicht mehr ändern.
ran: Was wäre denn theoretisch vom Potenzial her möglich gewesen?
Tim Tramnitz: Schwierige Rookie-Saison
Tramnitz: Die Top fünf wären mit Sicherheit möglich gewesen. Das wäre ein schönes Ergebnis gewesen. Aber es ist auch immer wichtig, wo man im Vergleich zu den Teamkollegen steht. Und da konnte ich mich auf jeden Fall ziemlich deutlich durchsetzen.
ran: Hängen Ihnen die verpassten Chancen noch länger nach oder haken Sie das recht schnell ab?
Tramnitz: In dem Moment macht man sich Gedanken darüber und denkt, dass man es hier und da hätte besser machen können. Um die Saison zu analysieren, ist es auch wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, was man falsch gemacht hat. Oder dass man nochmal Gespräche führt, auch mit dem Team, um zu schauen, was man besser machen muss. Aber das hängt mir grundsätzlich nicht lange nach.
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ran: Wo müssen Sie sich für die kommende Saison verbessern?
Tramnitz: Das Qualifying ist ganz wichtig, gerade in der Formel 3. Von daher gilt es, im kommenden Jahr konstant in den Top 10 zu sein, um in den Rennen viele Punkte sammeln zu können. Diese Konstanz im Qualifying wird sehr viel ausmachen, weil man in den Rennen von einer guten Position aus startet, auch im Reverse Grid. Das macht das Leben deutlich einfacher, wenn man in beiden Rennen aus den Top 10 losfährt.
ran: Was ist so schwer, im Qualifying alles auf den Punkt zu bringen, und das konstant?
Tramnitz: Bei mir hat mit reingespielt, dass ich ein Rookie war. Man hat nur zwei Runden im freien Training, teilweise auf Strecken, auf denen man vorher noch nie gefahren ist. Da hilft die Simulatorarbeit, auch wenn es auf der richtigen Strecke immer noch ein bisschen anders ist. Von daher macht es einen Unterschied, ob man die Strecke kennt oder nicht. Und wenn man im Training zwei Runden fährt und dann erwartet wird, dass man zu 100 Prozent da ist im Qualifying, ist das nicht ganz einfach. Mit der Streckenkenntnis sollte das Qualifying im kommenden Jahr besser werden.
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ran: Auf welche Stärken konnten Sie sich verlassen?
Tramnitz: Meine Racecraft war sehr stark. Ich konnte mich eigentlich fast immer nach vorne arbeiten oder meine Position halten. Gerade meine ersten Runden waren immer stark, da konnte ich viele Plätze gut machen. Und es ist natürlich wichtig, das beizubehalten bzw. noch zu verbessern.
Tramnitz: Die Ellenbogen werden ausgefahren
ran: Hat Sie etwas überrascht in der Saison, mit dem Sie nicht gerechnet haben?
Tramnitz: Nach den ersten Rennen habe ich mich eigentlich ziemlich wohlgefühlt. Es war daher ein bisschen verwunderlich, dass wir beim Tripleheader in Barcelona, Spielberg und Silverstone Schwierigkeiten hatten. Aber das war ein Zusammenspiel aus vielen Dingen und auch teilweise Fehlentscheidungen, die zusammengekommen sind. Aber ich hätte erwartet, gerade beim Tripleheader mehr Punkte zu holen. Am Ende waren es nur vier Punkte aus sechs Rennen.
ran: Wie geht es eigentlich zur Sache in der Formel 3? Gerade weil man in dem großen Feld aus rund 30 Fahrern auf sich aufmerksam machen und hervorstechen muss?
Tramnitz: Es ist so, dass jeder versucht, sein Bestes zu zeigen. Und die Ellenbogen werden dabei ganz schön ausgefahren. Das musste ich dann auch machen, um mich zu wehren und mich durchzusetzen. Und ich habe in diesem Jahr zweifellos noch mal mehr gelernt, wie man sich da am besten durchsetzt und auch vorbereitet auf die Rennen. Es ist tatsächlich so, dass es ein extrem harter Konkurrenzkampf ist und man dem anderen nichts schenkt.
ran: Wie extrem sind die Psychospielchen unter den Fahrern?
Tramnitz: Es wird definitiv versucht, den einen oder anderen zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Die Psychospielchen gibt es vor allem unter den Teamkollegen. Aber es ist sehr charakterabhängig, ob man sich davon beeinflussen lässt oder nicht. Aber es hält sich alles in einem vernünftigen Rahmen. Es spielt allerdings auf jeden Fall eine Rolle.
ran: Wie sind Sie da drauf? Spielen Sie mit oder wollen Sie damit nichts zu tun haben?
Tramnitz: Generell höre ich nicht so viel auf die anderen Fahrer, weil es sehr wenige gibt, denen man vertrauen kann, wenn sie zum Beispiel irgendwas über die Strecke erzählen. Ich bin kein großer Fan davon, neben der Strecke groß rumzureden. Ich zeige lieber auf der Strecke, dass ich schnell bin und gut ist.
ran: Daniel Ricciardo meinte mal, das Schlimmste seien früher die Anrufe von Dr. Marko gewesen. Wie oft hat er Sie angerufen und wie schlimm war es?
Tramnitz: Bei mir war es tatsächlich immer sehr ruhig, aber natürlich auch offen, wie man Dr. Marko kennt. Er ist sehr ehrlich und äußert die Kritik offen. Ich habe das aber überhaupt nicht negativ aufgenommen und auch nicht gedacht, dass ich um meinen Platz bangen muss. Ich habe versucht, es beim nächsten Mal besser zu machen. Wenn man da zu verkopft rangeht, wird es schwierig. Daher muss man offen mit der Kritik umgehen. Aber Dr. Marko kritisiert ja nicht nur, er sagt auch, wenn man etwas gut gemacht hat. Wie bei mir zum Beispiel beim Sieg in Monza die Restarts. Es wird nicht nur über die negativen Dinge gesprochen.
Tramnitz: Klare Kante hat schon immer geholfen
ran: Wie hilfreich war denn generell das Feedback?
Tramnitz: Es hat mir schon immer geholfen, wenn mich jemand gepusht und klar gesagt hat, was verbessert werden muss. Wir hatten zum Beispiel ein Gespräch vor dem Red Bull Ring, dass das Qualifying besser werden und ich konstanter werden muss. Das hat mich motiviert, und ich konnte im Qualifying mit Platz drei direkt zeigen, dass ich das verbessern kann. Ansonsten war es immer konstruktiv und damit auch hilfreich.
ran: Er ist sehr ehrlich, was wichtig ist, aber auch mal weh tun kann. Haben Sie lieber Zuckerbrot oder Peitsche?
Tramnitz: Es ist eine harte Schule. Doch härtere Ansagen haben mir schon immer geholfen. Das ist im ersten Moment vielleicht nicht schön, aber es lief danach immer besser. Von daher kann ich das gut gebrauchen.
ran: Von wem konnten Sie in der zurückliegenden Saison vor allem lernen?
Tramnitz: Vom Leiter der Nachwuchsakademie, Guillaume Rocquelin. Er ist derjenige, mit dem man am meisten Zeit bei Red Bull verbringt, der auch bei der Simulatorarbeit dabei ist. Bei ihm kann ich bei jedem Gespräch etwas mitnehmen, immer mindestens eine Kleinigkeit, die weiterhelfen kann. Es ist Wahnsinn, wie viel Input 'Rocky' einem geben kann.
ran: Wie viele Schritte haben Sie in der vergangenen Saison hingelegt im Vergleich zur bisherigen Karriere?
Tramnitz: Das war eine der Saisons, in der ich mich am meisten weiterentwickeln konnte, auch durch den Support im Hintergrund. Auf der anderen Seite sind es auch die härteren Saisons, wo es ein bisschen schwieriger war und ich viele Hürden nehmen musste, bei denen ich viel mitnehmen konnte. Es war mit Sicherheit ein sehr großes Lernjahr für mich.
Tramnitz: So fühlt sich der Red-Bull-Druck an
ran: Wie fühlte sich der Red-Bull-Druck, kombiniert mit dem, den man sich selbst macht, im Laufe der Saison an?
Tramnitz: Für mich hat das gar keinen Unterschied gemacht. Ich konnte schon immer ganz gut mit ein bisschen mehr Druck umgehen. Was ich sowieso muss, wenn ich in die Formel 1 kommen will. Von daher schaue ich auf mein Ziel und mache mir keinen Druck, dass ich für Red Bull Ergebnisse liefern muss.
ran: Bei Redbull.com, der Website deines Förderers, gibt es interessante Zitate. "Mein Ziel ist die Formel 1. Und da will ich Weltmeister werden." Das wollen alle. Interessant aber: "Im kommenden Jahr will ich es schon in die Formel 2 schaffen." Wie sieht es im Moment aus?
Tramnitz: Auf der einen Seite möchte man als Fahrer so schnell wie möglich den nächsten Schritt machen. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass sehr viele Dinge davon abhängen, ob man den nächsten Schritt machen kann. Vor allem spielt der finanzielle Aspekt gerade in der Formel 2 nochmal eine viel größere Rolle. Aber ich denke natürlich auch, dass ein zweites Jahr in der Formel 3 Sinn machen kann, um dann um den Titel zu kämpfen. Es wird in den nächsten Wochen entschieden, in welche Richtung es genau geht.
ran: Bleiben Sie denn Red-Bull-Junior, ist das fix?
Tramnitz: Daran gab es über die ganze Saison hinweg keinen wirklichen Zweifel und auch keine negativeren Gespräche. Im Moment sieht alles danach aus.
Formel 3 oder Formel 2: Wie geht es weiter
ran: Formel 3 oder Formel 2: Wie sagt Ihr eigenes Gefühl?
Tramnitz: Wenn ich zum Beispiel sehe, dass viele Fahrer, gegen die ich schon gefahren bin, in der Formel 2 sind und da einen guten Job machen, glaube ich, dass ich bereit bin für den Schritt in die Formel 2. Ich denke aber, dass ich mich wahrscheinlich mit einem weiteren Jahr in der Formel 3 noch ein bisschen wohler fühlen würde. Ich werde natürlich gefragt, was ich mir vorstellen kann. Aber im Endeffekt entscheidet Red Bull. Man darf auch nicht vergessen, was alles dahintersteckt, um die Saisons finanziell zu stemmen.
ran: Wie viel Geld muss man auf den Tisch legen?
Tramnitz: In der Formel 2 muss man mit mindestens zwei Millionen Euro für eine Saison rechnen. In der Formel 3 ist es ein bisschen teamabhängig, da liegen die Kosten zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro. Die Summen sind für eine normale Familie ohne Support unmöglich zu stemmen. Und von daher bin ich extrem angewiesen auf die Unterstützung durch Red Bull.
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ran: Ihre Ausbildung als Kfz-Mechatroniker haben Sie erstmal auf Eis gelegt. Wie sieht der Plan B für den Fall der Fälle aus?
Tramnitz: Natürlich macht man sich auch Gedanken darüber, welche Serien man auch cool finden würde. Es würde für mich aktuell aber keinen Sinn machen, mir zu viele Gedanken über einen Plan B zu machen. Der volle Fokus liegt auf der Formel 3 und dem klaren Ziel Formel 1. 2027 soll es so weit sein.
ran: Die Pause liegt ja jetzt bei etwa einem halben Jahr bis zur neuen Saison. Was machen Sie gegen die Langeweile?
Tramnitz: Ich habe noch einiges vor. Ich war gerade in Frankreich trainieren, bei Red Bull bin ich noch zum Training und zu einem Athletentreffen über eine Woche. Und dann gibt es noch ein paar andere Events. Danach geht auch langsam die Vorbereitung für nächstes Jahr los. Es finden Testfahrten statt, egal, in welche Richtung es geht. Und da muss ich vorbereitet sein. Denn im Prinzip habe ich nur die offiziellen Tests. Es gibt viele, die private Tests machen. Aber die kosten extrem viel Geld. Die werden noch mehr testen können als andere. Für mich wird das allerdings schwierig. Aber das Auto kenne ich ja bereits. Und selbst wenn es in Richtung Formel 2 gehen sollte, habe ich bewiesen, dass ich mich relativ schnell einfinden kann als Rookie.
Mick Schumacher als Warnung?
ran: Die Formel 1 ist als Haifischbecken bekannt. Mick Schumacher kämpft vergeblich um ein Cockpit. Hat man als Landsmann Mitleid?
Tramnitz: Das ist ein großes Thema in den Medien, aber ich fokussiere mich eigentlich hauptsächlich auf mich selbst. Man beobachtet die Situation und es zeigt einfach, wie schwierig es ist, in die Formel 1 zu kommen.
ran: Ist das auch ein Warnschuss, dass man nicht viel Zeit bekommt, um sich zu zeigen?
Tramnitz: Auf jeden Fall. Mick hatte im Grunde nur zwei Jahre Zeit, um zu zeigen, was geht und saß auch nicht in einem Top-Auto. Es zeigt, dass man wenig Zeit hat, um zu überzeugen. Und wie schwierig es ist, diesen Schritt in die Formel 1 zu schaffen.
ran: Red Bull befindet sich im Titelkampf in der Krise. Was stimmt Sie optimistisch, dass es noch reichen wird für Max Verstappen?
Tramnitz: Ich glaube, dass Max den Titel holt. Es wird nicht einfach, aber ich denke, dass Red Bull auf jeden Fall etwas machen wird, um das Auto noch weiterzuentwickeln und auch in die richtige Richtung zu gehen. Und Max wird nochmal einen raushauen, wenn es ein bisschen enger wird.