Champions League
Inter Mailand weiter auf Triplekurs: Was den kommenden Gegner des FC Bayern auszeichnet
- Veröffentlicht: 07.04.2025
- 12:16 Uhr
- Justin Kraft
Inter Mailand spielt bislang eine ganz starke Saison und ist weitaus mehr als nur ein Defensiv-Bollwerk. Dem FC Bayern bietet die Herangehensweise der Mannschaft von Trainer Simone Inzaghi aber auch Chancen.
Mit dem Kopf war Inter Mailand am Samstag wohl nicht mehr ganz bei der Sache, sondern zumindest in Durchgang zwei in der Münchner Allianz Arena. Das normalerweise so abgezockte Inter ließ sich beim FC Parma eine 2:0-Pausenführung noch nehmen und musste sich mit einem 2:2 begnügen.
Der untypischen Punktverlust nach einem Leistungsabfall in Durchgang zwei steht konträr zum 1:1 Remis gegen den AC Mailand im Halbfinal-Hinspiel der Coppa Italia drei Tage zuvor.
Mit einem traumhaften Abschluss rettete Hakan Calhanoglu Inter Mailand hier das Remis gegen den Stadtrivalen. Nachdem Milan kurz nach der Halbzeit in Führung ging, glich der ehemalige Bundesliga-Profi sehenswert aus der Distanz aus.
Es war ein unspektakuläres Derby. Eines, über das schon bald nicht mehr allzu viele Menschen sprechen werden. Aber es war eines, das die Stärken von Inter genau zur Schau gestellt hat.
Das Team von Trainer Simone Inzaghi startete etwas schläfrig ins Spiel und ermöglichte es Milan zu oft, in Umschaltsituationen zu kommen. Dann aber bekam Inter Kontrolle in die Partie. Immer stärker schnürte man den Gegner in dessen Hälfte ein und erzwang sich so letztlich den verdienten Ausgleich.
Eine Ausgangsposition, die die historische Chance auf das Triple weiter offenhält. In der Liga steht man nach 31 Spieltagen mit vier Zählern Vorsprung auf Neapel (ein Spiel weniger) auf dem ersten Platz. Im Pokal winkt mit einem Sieg im Rückspiel der Finaleinzug. Und in der Champions League wartet im Viertelfinale der FC Bayern.
Das Wichtigste in Kürze
Ein Duell, auf das viele in Deutschland womöglich aus einer falschen Perspektive blicken.
Inter Mailand: Mehr als ein Defensivbollwerk
Denn wer die Serie A nicht im Detail verfolgt und sich die eine oder andere Statistik vor dem Spiel gegen den FC Bayern ansieht, der kommt womöglich nicht an manchem Klischee vorbei. Inter kassiert in der Liga nur 0,9 Gegentore pro Spiel – nur fünf Teams in den Top-5-Ligen haben einen besseren Wert.
Laut dem Datenportal "FBref" lassen die Nerazzurri nur 0,87 Expected Goals pro Partie zu – Platz fünf in den Top-5-Ligen. Nochmal deutlich beeindruckender sind die Statistiken in der Champions League: 0,2 Gegentore pro Spiel (nur zwei insgesamt) sind Bestwert mit großem Abstand und auch 0,92 zugelassene Expected Goals pro Partie sind der drittbeste Wert des Wettbewerbs.
Inter kann verteidigen. Sie können das klassisch italienisch, indem sie am eigenen Strafraum auf den richtigen Moment zur Balleroberung warten. Aber sie können ihren Gegner auch in dessen Hälfte einschnüren und mit Gegenpressing zum Erfolg kommen. Es ist genau diese Flexibilität, die die Mannschaft von Inzaghi so gefährlich macht. Beispielhaft steht dafür vor allem Abwehrspieler Alessano Bastoni, der nicht nur im Spiel gegen den Ball hervorragend ist, sondern auch mit seinem Aufbauspiel und seinen gefürchteten langen Bällen Meisterklasse besitzt.
Inter ist mehr als ein Defensivbollwerk. Vor allem fußballerisch glänzt das Team mit einigen technisch sehr feinen Spielern. Allen voran Calhanoglu und Nicolo Barella. Die beiden zentralen Mittelfeldspieler bilden das Herzstück des Teams.
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FC Bayern muss im Pressing vorsichtig sein
Beide haben die Qualität, das Pressing des Gegners mit kurzen Kombinationen oder Dribblings auszuhebeln. Barella gibt den Takt mit seinen Steckpässen und Verlagerungen vor. Er ist quasi immer anspielbar und findet noch so kleine Lücken in der gegnerischen Formation.
Calhanoglu hat mehr Offensivdrang, hat aber technisch ebenfalls alle Waffen, um ein hohes Pressing wie das der Bayern ins Leere laufen zu lassen. In der Champions League hatten die Münchner große Probleme mit Teams, die sich wohl in tiefen Verteidigungssituationen fühlen und gleichzeitig in der Lage sind, sich mit sauberen Kombinationen und hohem Tempo nach vorn zu kombinieren.
Inter hat diese Qualität wie vielleicht nur wenige andere Mannschaften in der Champions League. Sie erzielen zwar nicht viele Tore und sorgen selten für Spektakel, aber sie spielen sehr sauberen und fehlerarmen Fußball.
Inter Mailand: Schwächen, wenn es schnell wird?
Trotz aller Qualitäten hatte Inter in dieser Saison aber auch schon einige schwächere Auftritte. Beispielsweise bei der 2:3-Niederlage gegen Milan in der Supercoppa im Januar oder beim 0:3 vor einigen Wochen in Florenz.
Spielt ein Team mit viel Tempo und Präzision, lässt sich auch dieser Defensivriegel knacken. Gerade im Umschaltverhalten von Offensive auf Defensive fehlt Inter manchmal das Tempo, um rechtzeitig die Grundordnung wiederherzustellen. Auch der teilweise unorthodoxe Spielstil von Simone Inzaghi, der teilweise auch seine Verteidiger mitstürmen lässt, kann zwar dem FC Bayern weh tun, aber auch nach hinten losgehen.
Bayerns Schlüssel könnte also darin liegen, möglichst viele Ballgewinne zu erzeugen und dann anders als sonst stärker ins Vertikalspiel zu gehen.
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Normalerweise sind die Münchner sehr bedacht darauf, das Spiel zu kontrollieren und nach Ballgewinnen erstmal den Ballbesitz zu sichern, ehe man mit Ruhe und Struktur angreift.
Gibt man Inter nach Ballverlusten aber die Zeit, sich zu ordnen, wird es schwer, Lücken im Defensivblock zu finden. Generell können Tempo und viel Bewegung ein Mittel sein, um den Tabellenführer der Serie A in Schwierigkeiten zu bringen.
Viele gegenläufige Bewegungen im Angriffsdrittel mit schnellen und wendigen Spielern machten Inter hin und wieder zu schaffen. Leverkusen fügte den Italienern die bisher einzige Niederlage in der Champions League zu und setzte dabei auf Nathan Tella im Sturmzentrum.
Bayerns Chance liegt in der Offensive
Trotz der enorm bitteren Verletzung von Jamal Musiala verfügen die Münchner im Angriffsspiel über vielseitige Waffen. Für die Bayern könnte es entscheidend sein, neben den spielstarken Spielern wie Harry Kane oder Michael Olise auch Spieler wie Kingsley Coman oder Leroy Sane auf dem Feld zu haben, die ständig die Schnittstellen in Inters Verteidigungskette anlaufen.
Der Balanceakt wird für die Münchner darin bestehen, Inter nicht in die eigenen offensiven Umschaltmomente kommen zu lassen. Auch offensiv haben sie einen guten Mix aus quirligen und wuchtigen Spielern. Inklusive Marcus Thuram, der das Beste aus beiden Welten vereint und eine starke Saison spielt.
Beide Teams hatten zuletzt einige Ausfälle zu verkraften. Wobei es die Münchner deutlich schlimmer und auch konzentrierter auf einen Mannschaftsteil getroffen hat. Die Probleme in der Defensive machen den FCB nochmal anfälliger für Gegentore.
Insbesondere der Ausfall von Manuel Neuer könnte sich für den FC Bayern als schmerzhaft erweisen. Jonas Urbig bringt zwar viel Talent, aber noch lange nicht die Erfahrung und Aura des Bayern-Kapitäns mit, der das Tor mit seiner puren Erscheinung kleiner werden lässt. Die Mailänder Scharfschützen werden den Youngster regelmäßig testen und insbesondere ein Calhanoglu könnte bei Freistößen auch mal verrückte Dinge probieren.
Und wenn Inter eines besonders gut kann, dann ist es das Ausnutzen von Fehlern und Schwachstellen. In der Coppa Italia haben sie das bei einem unspektakulären, aber letztlich sehr wichtigen 1:1 gegen die AC Mailand mal wieder bewiesen – und wenn es am Ende eben die Schusstechnik von Calhanoglu braucht.