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DTM - Ex-Pilot packt über Stallorder aus: "DTM hat meine Karriere zerstört"

Ex-DTM-Pilot Daniel Juncadella packt aus über das Hersteller-Schachspiel vergangener Tage in der Traditionsserie!

"Die DTM hat mit ihrer Politik auf gewisse Weise meine Karriere zerstört", sagt der 33-jährige Spanier im YouTube-Podcast seiner Rennfahrer-Kollegen Laurens und Dries Vanthoor. Und lässt dabei kein gutes Haar an der Art und Weise, wie die Hersteller in die Rennen eingriffen - und die Piloten wie Spielfiguren hin- und herschoben.

Er habe "nie wirklich verstanden, warum gewisse Entscheidungen in die eine oder die andere Richtung getroffen wurden. Fünf Jahre lang hatte ich keine Ergebnisse", sagt Juncadella, der von 2013 bis 2018 mit einem Jahr Pause für Mercedes in der DTM fuhr.

Erst mit Hilfe eines Sportpsychologen sei es ihm gelungen, wieder Selbstvertrauen aufzubauen: "Wenn die Ergebnisse nicht kommen, dann bricht es dich einfach."

Sogar als Formel-1-Ersatzmann 2014 bei Force India habe er darunter gelitten. "Ich habe das Auto im Freien Training gecrasht, denn ich war mental einfach kaputt. Ich konnte damit nicht umgehen. Wenn ich heute das Wort DTM höre, kriege ich bereits Panik. Ich will es gar nicht hören."

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"Konnte ihn nicht ausstehen": Juncadella über Wehrlein

Aber was ist genau passiert? Mercedes-Youngster Juncadella kam 2013 als Meister der hochkarätigen Formel-3-Euroserie in die DTM, nachdem sein Sponsor Astana das Geld für das GP2-Cockpit bei Rapax nicht rechtzeitig bezahlt habe und er die Formel-Pläne begrub. Zunächst war geplant, dass er beim Mercedes-Team von Peter Mücke DTM-Teamkollege von Ralf Schumacher wird.

Doch der beendete kurzfristig seine Karriere, wodurch ausgerechnet Juncadellas Formel-3-Titelrivale Pascal Wehrlein nachrückte, mit dem er 2012 zweimal kollidiert war und der 2013 bereits den F3-Saisonauftakt für sich entschieden hatte. "Ich konnte ihn nicht ausstehen, und er konnte mich nicht ausstehen", gibt der Mann aus Barcelona zu.

"Wir gingen also zu Mücke Motorsport und haben dort gemeinsam einen Teambuilding-Tag absolviert. Irgendwo in Deutschland, gemeinsam auf einem Boot, an einem See mit dem Teambesitzer, dem Teammanager und den Ingenieuren. Wir sind dann halbwegs miteinander klargekommen."

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War Wehrlein zu schnell für die Mercedes-Chefs?

Möglicherweise auch, weil beiden klar wurde, dass sie im selben Boot sitzen. "Sie haben zu uns gesagt: 'Nun ja, das Ziel für diese Saison ist wohl irgendwas rund um P15, P14.' Wir haben uns angeschaut: Was? Was meint ihr da? Ich habe gerade die Formel 3 gewonnen. Der Junge fährt sein zweites Jahr, führt die Formel 3 an. Warum müssen wir P14, P15 anvisieren?"

Spätestens am Norisring - es war das fünfte von zehn Rennwochenenden - wurde beiden ihre Rolle klar. Damals gab es in der DTM ein Qualifying-Format mit vier Abschnitten: Zuerst kamen bei 22 Fahrern die Top 16, dann die Top 10 - und am Ende zogen die besten vier in die sogenannte Super-Pole ein. "Alle Mercedes waren sehr schnell, Pascal und ich waren schnell. Wir haben Q1 und Q2 überstanden, dann kam Q3 mit zehn Autos", holt Juncadella aus.

Mercedes-Titelkandidat Paffett "lag auf P4, und Wehrlein hatte einen violetten zweiten Sektor oder so. Dann meldeten sie sich am Funk: 'Box, Box, Box, Box! Wir haben keinen Sprit, wir haben keinen Sprit! Wir müssen stoppen, sonst werden wir disqualifiziert!' Er hat die Runde nicht beendet, denn er hätte es wahrscheinlich ins Q4 geschafft und dafür gesorgt, dass Paffett Fünfter ist."

So habe Mercedes aber Wehrlein mit einer offenbar vorgetäuschten Spritknappheit trotz Sektoren-Bestzeiten an die Box beordert und dafür gesorgt, dass Paffett als Vierter haarscharf ins Stechen um die Super-Pole einzog.

Juncadella am Norisring plötzlich auf Siegeskurs

Am Sonntag kam es dann noch dicker - und diesmal war der Spanier der Leidtragende: 2013 waren bei den DTM-Rennen zwei Stopps vorgeschrieben - beide Reifenmischungen mussten genutzt werden. "Am Norisring gab es keinen Abbau, also war die weichere Mischung die beste. Man konnte mit ihr fast das gesamte Rennen bestreiten", erklärt Juncadella.

Durch einen Reparaturstopp wegen eines Startcrashs zog das Mücke-Team bei ihm nach einer Runde die harte Mischung auf. Als dann auch noch eine Safety-Car-Phase ausgerufen wurde, wechselte man zurück auf den weichen Reifen. Juncadella war zwar Letzter, hatte aber bereits beide Pflichtstopps hinter sich.

"Ich fuhr also nur rum, um meine Reifen zu schonen - und irgendwann lag ich auf Platz zwei. Und wer war in Führung? Gary Paffett", schildert er die Situation. "Er war auf dem harten Reifen, denn sie hatten die Strategie verpatzt, und ich habe drei Sekunden pro Runde auf ihn aufgeholt. Irgendwann klebte ich an seinem Hintern."

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"Haben mir gesagt, ich soll Teamkollegen verteidigen"

Daraufhin habe er am Funk beim Team nachgefragt, wie er vorgehen soll. "Sie haben mir gesagt, ich soll meinen Teamkollegen verteidigen. Sie konnten nicht wirklich sagen, ich soll hinter ihm bleiben, denn es gab diese Regel", verweist er auf das von 2008 bis 2013 gültige Stallorder-Verbot in der DTM. "Also haben sie gesagt: Verteidige oder schütze deinen Teamkollegen. Ich habe in den Spiegel geschaut, aber niemand war hinter mir."

Nach dem kuriosen Funkspruch habe er überlegt, "ich könnte den Funk ausstecken, den Kerl überholen und gewinne mein erstes DTM-Rennen überhaupt", so Juncadella. "Dann bin ich einen Tag lang ein Held, aber ich schätze, dass es sich langfristig nicht auszahlen wird", erklärt er, warum er dann doch spurte.

Juncadella blieb hinter Paffett - und die Konkurrenz kam nach ihren Stopps teilweise vor dem Spanier auf die Strecke zurück. Darunter auch Audi-Pilot Edoardo Mortara, der sich mit Paffett duellierte. "Sie haben einander berührt, und Mortara spielte dann ein bisschen ein schmutziges Spiel mit Paffett." Der Mercedes-Pilot revanchierte sich - und beide landeten in der Mauer.

Juncadella konnte es nicht fassen: "Ich denke mir: Ich bin gerade 20 Runden lang hinter diesem Kerl geblieben und werfe meinen Sieg weg. Und er hatte dann einen völlig unnötigen Crash mit dem Kerl, weil er sauer war oder so." Juncadella wurde am Ende Vierter, dann wurde Sieger Mattias Ekström auch noch wegen der legendären Wasserflaschen-Affäre - auch "Watergate" genannt - disqualifiziert.

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Nächste AMG-Stallorder am Nürburgring: "Es war so dumm"

Für Juncadella habe das Wochenende aber gezeigt, "welche Kontrolle sie über uns haben". Auch zwei Rennwochenenden später gab es in der Eifel einen ähnlichen Vorfall, der für Juncadella "unglaublich" war. Ein typisches Nürburgring-Rennen mit wechselhaften Bedingungen - und Mercedes-Topmann Paffett sei stets auf den falschen Reifen gewesen.

"Irgendwann war er bei Regen auf Slicks, und Wehrlein war hinter ihm auf Regenreifen. Sie sagten ihm: Bleib hinter ihm. Autos sind links und rechts an den beiden vorbeigegangen. Es war so dumm. Man konnte im TV sehen, dass Wehrlein nur hinter ihm wartete und 15 Sekunden langsamer fuhr." Am Ende wurde Paffett 17., Wehrlein musste mit Platz zehn vorliebnehmen.

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"Nicht vorgesehen, dass ich weiß, was im Auto los ist"

Die Mercedes-Strategie sollte sich am Ende nicht auszahlen, denn Mike Rockenfeller holte im Phoenix-Audi den Titel, Paffett wurde nur Sechster. Für die Mücke-Piloten lief es noch schlechter: Juncadella wurde in der Gesamtwertung 16., Wehrlein gar nur 22. und damit Letzter in der Fahrerwertung.

Das war aber nicht alles: Juncadella gefiel auch nicht, dass "zumindest bei Mercedes" die Fahrer aus technischer Sicht nichts mitzureden hatten. "Der Kerl, der das ganze Projekt damals geleitet hat, hat alles entschieden, auch was das Set-up anging", sagt Juncadella - und spielt damit vermutlich auf Gerhard Ungar an, der bis 2014 als HWA-Technikchef die Geschicke bei Mercedes-AMG leitete.

"Man hat uns nichts über das Auto gesagt. In all meinen DTM-Jahren damals hab ich aus technischer Sicht nicht eine einzige Sache über das Auto gelernt. Nichts! Denn ich hatte keine Ahnung. Es war nicht vorgesehen, dass ich weiß, was im Auto los ist. Am Ende zahlt man damit aber einen hohen Preis für die restliche Karriere."

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Warum Juncadella den Glauben an sich selbst verlor

Vor allem sei es aber die Politik gewesen, die Juncadella zusetzte. "Ich kann gar nicht sagen, ob es bei BMW, Audi oder damals bei Mercedes schlimmer oder politischer war", sagt er rückblickend. "Aber bei Mercedes war es hart, sehr hart."

"Ich hatte das Gefühl, dass ich nie die Chance bekommen würde. Und es stimmt nicht. Klar würde man irgendwann die Chance bekommen, aber ich habe das damals geglaubt, als ich dort war. Und wenn man nur negativ denkt, dann wird es nie für dich laufen."

Der beste Beweis für das Gegenteil war übrigens Wehrlein, der 2014 zum A-Team HWA aufstieg und dort DTM-Champion wurde. Juncadella gelang hingegen erst 2018 nach einem Jahr DTM-Pause sein einziger Sieg, 2019 war er bei R-Motorsport bester Aston-Martin-Pilot. Und 2021 fuhr er nach einem Comeback seine bislang letzte DTM-Saison und wurde mit dem Mercedes-AMG-Team GruppeM Neunter in der Wertung - sein Highlight.

Seit 2024 ist Juncadella Corvette-Werksfahrer in der Langstrecken-WM WEC und in der IMSA-Serie - und sagt: "Heute geht es mir wirklich gut, aber diese fünf, sechs Jahre waren wirklich schwierig für mich."

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